Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluss vom 18.05.2020 – 21 W 165/19 - die folgende Fallgestaltung zu entscheiden:
Die Erblasserin und ihr 2002 vorverstorbener Ehemann haben zwei Kinder. Sie errichteten am 18.10.1994 ein notarielles gemeinschaftliches Ehegattentestament mit gegenseitiger Erbeinsetzung für den ersten Erbfall. Im Schlusserbfall beriefen sie die beiden Kinder zu Miterben zu je ½.
Ferner lautete es sinngemäß weiter im Testament, dass nach dem Tode des erstversterbenden Ehegatten der überlebende Ehegatte berechtigt sei, seine Verfügungen abzuändern, jedoch nur in Bezug auf die Verteilung des Vermögens unter unseren gemeinschaftlichen Kindern und deren Abkömmlingen.
Nach dem Tod des Ehemannes errichtete die Erblasserin ein privatschriftliches Einzeltestament, in welchem sie nur noch eines der Kinder zum Alleinerben einsetzte. Nach dem Tod der Erblasserin beantragte dieses Kind einen Alleinerbschein. Der Erbscheinsantrag wurde vom zuständigen Nachlassgericht Amtsgericht Wetzlar zurückgewiesen.
Gegen diese Zurückweisung legt die Alleinerbin Beschwerde ein und bekam beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main Recht.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main urteilt aus, dass bei jedem Testament der wirkliche Wille der Erblasser durch Testamentsauslegung zu erforschen ist. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, wobei dieser nicht bindend ist. Vielmehr sind der Wortsinn und die vom Erblasser benutzten Ausdrücke zu hinterfragen, um festzustellen, was er mit seinen Worten hat sagen wollen und ob er mit ihnen genau das wiedergegeben hat, was er zum Ausdruck bringen wollte.
Maßgeblich ist insoweit allein sein subjektives Verständnis der von ihm verwendeten Begriffe. Zur Ermittlung des Inhalts der testamentarischen Verfügung ist der gesamte Inhalt der Testamentsurkunde einschließlich aller Nebenumstände, auch solche außerhalb des Testaments, heranzuziehen und zu würdigen. Solche Umstände können vor oder auch nach der Errichtung des Testaments liegen. Dazu gehört das gesamte Verhalten des Erblassers, seine Äußerungen und Handlungen, jedoch müssen sich im Hinblick auf die Formerfordernisse des § 2247 BGB für einen entsprechenden Willen des Erblassers in der letztwilligen Verfügung – wenn auch nur andeutungsweise – Anhaltspunkte finden lassen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das OLG Frankfurt zu Recht davon ausgegangen, dass die Erblasserin eine Tochter als Alleinerbin einsetzen konnte und demnach einem Abkömmling das gesamte Vermögen hinterlassen wurde. Hierfür spricht auch nach den Urteilsgründen des OLG Frankfurt neben dem Wortlaut der Abänderungsbefugnis der weitere Inhalt einer sog. Pflichtteilsstrafklausel aus dem Testament, nach welcher eines der Kinder, wenn es den Pflichtteil nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten verlangt hätte, auch im zweiten Erbfall nur den Pflichtteil erhalten hätte. Dies hätte ebenso den Verlust der Miterbenstellung bedingt.
Das Oberlandesgericht Frankfurt hat zu Recht die Abänderungsbefugnis hier auch für eine komplette Enterbung eines der Abkömmlinge ausgeurteilt. Es ist für den Unterzeichner nicht nachvollziehbar, wie hier eine Beschwerde überhaupt eingelegt hat werden können. Der Wortlaut ist in seiner Formulierung des Testaments eindeutig.
Wichtig ist, dass das Oberlandesgericht Frankfurt ausführlich die Grundsätze des Bundesgerichtshofs zur Ermittlung des wahren wirklichen Willens in Bezug auch auf die sog. Andeutungstheorie niedergeschrieben hat. Eine Auslegung des Testaments hat immer im Todesfall zu erfolgen.
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