Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 26.05.2021 – IV ZR 174/20 – den folgenden, sehr praxisrelevanten Fall im Pflichtteilsrecht zu entscheiden:
Im Rahmen eines Pflichtteilsverfahrens wollten die 6 Beklagten als Miterbe nach der verstorbenen ledigen Erblasserin gegenüber dem Kläger bei der Berechnung von dessen Pflichtteilsanspruch die Kosten der Grabpflege als Nachlassverbindlichkeiten in Abzug bringen.
Nachdem das LG Mannheim als Berufungsinstanz den Abzug bejahte, entschied der BGH als Revisionsinstanz zu Gunsten des Klägers.
Nach dem BGH sind die Kosten für die Grabpflege im Rahmen der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs gem. § 2311 BGB nicht als Nachlassverbindlichkeit abzuziehen. Es ist zwar richtig, dass nach § 1968 BGB der Erbe die Beerdigungskosten des Erblassers zu tragen hat. Hiervon werden aber nur die eigentlichen Kosten der Beerdigung, also des Bestattungsaktes selbst, der seinen Abschluss mit der Errichtung einer zur Dauereinrichtung bestimmten und geeigneten Grabstätte findet, umfasst.
Die Kosten der Instandhaltung und Pflege der Grabstätte und des Grabmals zählen nicht mehr zu den Kosten der Beerdigung, sondern entspringen allenfalls einer sittlichen Verpflichtung des Erben (BGHZ 81, 283, 239, OLG Düsseldorf, ZErb 2018, 104, andere Ansicht: LG Heidelberg, ZEV 2011, 583).
Der Bundesgerichtshof merkt weiter an, dass auch die Möglichkeit, die Grabpflegekosten erbschaftsteuerrechtlich nach § 10 V 3 ErbStG abzusetzen, vermag nichts an der fehlenden rechtlichen Verpflichtung der Erben zur Grabpflege zu ändern. Dies hat zivilrechtlich keinen Einfluss.
Auch die öffentlich-rechtliche Pflicht von Erben oder Angehörigen zur Grabpflege ist unabhängig von der rein zivilrechtlichen Frage des Bestehens einer Nachlassverbindlichkeit zu beurteilen (OLG Köln, ZEV 2015, 355). Die Instandhaltungspflicht für eine Grabstätte trifft nach den einschlägigen Friedhofssatzungen den Grabnutzungsberechtigten oder dem Berechtigten für die Totenfürsorge, der nicht zwingend personenidentisch mit dem Erben sein muss.
Nach dem Bundesgerichtshof ist die Bestimmung eines Erblassers in einer letztwilligen Verfügung hinsichtlich der Art und Umfang der nach seinem Tod durchzuführenden Grabpflege eine Auflage gem. §§ 1940, 2192 BGB oder – je nach Ausgestaltung – ein Zweckvermächtnis gem. §§ 1939, 2156 BGB. Eine Auflage und ein Vermächtnis können jedoch nicht den Pflichtteilsanspruch eines Pflichtteilsberechtigten reduzieren. Dieser Vorrang ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung des § 1991 IV BGB. Einzig, wenn ein noch vom Erblasser geschlossener Grabpflegevertrag am Todestag bereits vorliegt, kann eine vom Erblasser herrührende Nachlassverbindlichkeit in Form einer Erblasserschuld gem. § 1967 I BGB begründen, der dann bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs wertmindernd zu berücksichtigen wäre. Dies lag im vorliegenden Fall nicht vor.
Der Bundesgerichtshof hat eine jahrelang strittige Rechtsfrage entschieden. Es wird zwar der Weg über einen vom Erblasser bereits geschlossenen Grabpflegevertrag aufgezeigt, jedoch ist der Erbe dann, wenn er auch das Totenfürsorgerecht bzw. die Grabnutzung hat, gezwungen, diesen Vertrag mit seinen Kosten einzuhalten und im Regelfall einen sehr hohen Einmalbetrag für den Grabpflegevertrag sofort aus dem Nachlass zu bezahlen.
Grabpflegeverträge in Form eines sog. Dauergrabpflegevertrages für die ortsübliche Liegezeit werden heutzutage im Regelfall über Friedhofsgenossenschaften abgeschlossen. Fällt das sich in der Genossenschaft befindliche Mitglied, im Regelfall eine Gärtnerei, durch Betriebsaufgabe oder Insolvenz als Vertragspartner weg, so wird die Grabpflege durch ein weiteres Genossenschaftsmitglied übernommen.
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