Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit Beschluss vom 12.03.2019 – I-3 Wx 166/17 – die folgende Fallgestaltung zu entscheiden:
Der Erblasser verstarb ohne letztwillige Verfügung. Miterben wurden anschließend seine Ehefrau sowie seine drei Kinder. Mit notariell beglaubigter Erklärung vom 09.08.2016 schlugen die drei Kinder für sich selbst sowie jeweils gemeinsam mit ihren Ehepartnern für ihre Kinder die Erbschaft nach dem Erblasser aus und zwar aus allen erdenklichen Gründen.
Anschließend beantragte die Ehefrau einen Alleinerbschein. Das Nachlassgericht wendete sich gegen den Alleinerbschein dergestalt, dass mit der Ausschlagung der Erben der ersten Ordnung somit die Erben der zweiten Ordnung als Eltern und Geschwister des Verstorbenen Miterben werden.
Anschließend erklärten die zunächst ausschlagenden Kinder die Anfechtung der Ausschlagung der Erbschaft wegen Irrtums, da sie davon ausgegangen seien, dass durch ihre Ausschlagung die Mutter Alleinerbin werden würde und nicht noch der Bruder des Erblassers Miterbe zu ¼ werden würde.
Anschließend wurde ein Erbschein dergestalt beantragt, dass die Mutter Miterbin zu ½ und die drei Kinder jeweils Miterben zu 1/6 werden würden.
Das zuständige Nachlassgericht hat dann die Anfechtung der drei Kinder wegen unbeachtlichem Motivirrtum zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss wurde dann Rechtsmittel eingelegt.
Das Oberlandesgericht urteilte dann mit dem vorliegenden Beschluss aus, dass der Erbscheinsantrag der Beteiligten nicht zurückgewiesen werden kann. Die Anfechtungserklärung der drei Kinder war form- und fristgerecht eingereicht.
Daher urteilt das OLG Düsseldorf aus, dass das Verfehlen der Alleinerbenstellung der Mutter ein Inhaltsirrtum ist. Ein Inhaltsirrtum ist im Sinne der Norm des § 119 BGB auch dann gegeben, wenn der Erklärende über Rechtsfolgen seiner Willenserklärung irrt, weil das Rechtsgeschäft nicht nur die von ihm erstrebten Rechtswirkung erzeugt, sondern solche, die sich davon unterscheiden. Ein derartiger Rechtsirrtum berechtigt nach ständiger Rechtsprechung nur dann zur Anfechtung, wenn das vorgenommene Rechtsgeschäft wesentlich andere als die beabsichtigten Wirkungen erzeugt. Dagegen ist der nichterkannte Eintritt zusätzlicher oder mittelbarer Rechtswirkung, die zu den gewollten und eingetretenen Rechtsfolgen hinzutreten, kein Irrtum über den Inhalt der Erklärung mehr, sondern ein unbeachtlicher Motivirrtum.
Im vorliegenden Fall lag laut OLG kein durchgreifender Zweifel vor, dass allen Ausschlagenden in erster Linie die Anfallswirkung gelegen war und sie sich den Wegfall ihrer Person als bloßen Weg dorthin vorstellen, wobei sie auch einen anderen beschritten hätten, hätte er zum Ziel der Konzentration der Erbenstellung bei der Mutter, demnach der Ehefrau des Erblassers, geführt. Somit führt die „lenkende“ Ausschlagung dazu, dass der Erklärende wegen Inhaltsirrtum anfechten kann, wenn das Verfehlen des Lenkungswillens darauf beruht, dass die Erbschaft bei einer anderen Person, als beabsichtigt, eintritt.
Gleiches gilt wenn man davon ausgeht, dass die Beteiligten die Rechtswirkung des § 1953 II BGB überhaupt nicht gekannt und sich die Anwachsung ihres Erbteils bei ihrer Mutter vorgestellt haben, worin ein beachtlicher Rechtsirrtum vorliegt. Gleiches gilt wenn man generell den Anfall bei einer anderen als der vom Ausschlagenden vorgestellten Person als Inhaltsirrtum ansieht.
Ein sehr praxisrelevanter Fall, da die „lenkende“ Ausschlagung im Regelfall meistens Grundlage ist, wenn Personen einen Nachlass ausschlagen, welcher Positiv ist. Es soll jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass eine abschließende Entscheidung des Bundesgerichtshofs in diesem Bereich noch nicht vorliegt. Es ist somit bei der Anfechtungserklärung der Ausschlagung genau darzustellen, welche Rechtsfolgen sich der Ausschlagende vorgestellt hat und dass diese Rechtsfolgen nicht eingetreten sind.