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Thomas Maulbetsch - Fachanwalt für Erbrecht in Obrigheim bei Mosbach
09.08.2024

Umdeutung und unwirksames gemeinschaftliches Testament

Der Erblasser und seine Ehefrau haben zunächst ein Ehegattentestament mit Datum vom 10.10.1993 errichtet, nach welchem im Falle ihres Todes der Sohn das Hausgrundstück vermacht bekommt und die Tochter das Barvermögen. Das Hausinventar soll bei den Kindern geteilt werden.

Mit Datum vom 20.06.2018 schrieb die Ehefrau eigenhändig ein Testament, welches von beiden Ehegatten unterschrieben wurde, wobei beide Ehegatten zunächst das Testament vom 10.10.1993 aufgehoben haben und sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Dies geschah am 20.06.2018.

Mit Datum vom 06.07.2018 folgte eine Ergänzung zum vorgenannten Testament, welche wiederum die Ehefrau schrieb, nach welcher die Eheleute im ersten Todesfall befreite Vorerben werden sollten und Nacherbin nur die Tochter.

Die Ehefrau selbst lebte seit 2016 nicht mehr im ehelichen Haushalt sondern aufgrund einer Demenzerkrankung in einem Pflegeheim. Im Februar 2017 brachte der Erblasser seine mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebende Schwester im Affekt um. Anschließend befand er sich in einer geschlossenen Psychiatrie und verstarb 2020.

Erbscheinsantrag im Erbscheinsverfahren

Die Ehefrau beantragte im Dezember 2020 einen Erbschein im Erbscheinsverfahren mit dem Inhalt, dass sie alleinige befreite Vorerbin des Erblassers geworden sei und die Nacherbfolge der Tochter nach ihrem Tod als Vorerbin eintrete. Der Antrag wurde auf die beiden Testamente vom 20.06.2018 und 06.07.2018 gestützt.

Sachverständigengutachten wegen Testierfähigkeit der Erblasserin

Das Amtsgericht als Nachlassgericht holte dann in Bezug auf die Testierfähigkeit der Ehefrau ein Sachverständigengutachten ein, welches gutachterlich auswies, dass die Ehefrau bei Errichtung der beiden Testamente im Jahr 2018 testierunfähig gewesen war. Das Nachlassgericht teilte dann auch mit Beschluss mit, dass die Testamente vom 20.06.2018 und 06.07.2018 in ein Einzeltestament des Erblassers umgedeutet werden können. Dies sei auch bei wechselbezüglichen Verfügungen möglich, die das Amtsgericht vorliegend für gegeben erachtet hat.

Hiergegen wendet sich der Sohn mit einer Beschwerde mit der Zurückweisung des Erbscheinsantrags der Mutter. Er bemerkt dabei, dass in Bezug auf die Testierfähigkeit des Erblassers, seines Vater, kein Gutachten eingeholt wurde.

Testierunfähigkeit eines Ehegattens

Das Oberlandesgericht Celle entscheidet jetzt, dass die letztwilligen Verfügungen des Erblassers und seiner Ehefrau vom 20.06.2018 und 06.07.2018 unwirksam sind. Dies ist gegeben, wenn ein Ehegatte testierunfähig ist. Kann einer von beiden Ehegatten ein Testament nicht errichten, kommt es auf die Einhaltung der formalen Voraussetzungen des § 2267 BGB nicht mehr an. Es kommt somit ein gemeinschaftliches Testament nicht zustande.

Umdeutung war mangels Einhaltung der Formvorschriften nicht möglich

Auch kann eine Umdeutung nach § 140 BGB des unwirksamen gemeinschaftlichen Testaments in ein Einzeltestament des Erblassers im Streitfall nicht in Betracht kommen, weil der Erblasser die getroffenen Anordnungen nicht eigenhändig geschrieben, sondern den von der testierunfähigen Ehefrau geschriebenen Text nur unterschrieben hat.

Der erste Schritt bei der Umdeutung ist die Prüfung, ob die umzudeutende Verfügung selbst den Formerfordernissen des BGB entspricht. Dies ist bei den letztwilligen Verfügungen des Erblassers vom 20.06. und 06.07.2018 als Einzeltestament nicht vorliegend. Somit sind die beiden Einzeltestamente gem. § 125 I BGB nichtig. Somit bedurfte es auch keiner weiteren Klärung, ob der Erblasser im Juni/Juli 2018 testierunfähig war.

Anmerkung von Fachanwalt Thomas Maulbetsch

Das Oberlandesgericht Celle urteilt richtig aus, dass die beiden Testament, die von der testierunfähigen Erblasserin geschrieben worden sind, unwirksam sind. Es wird weiter richtig mitgeteilt, dass eine Umdeutung nicht möglich ist, da der andere Ehegatte diese beiden letztwilligen Verfügungen nicht selbst geschrieben, sondern nur unterschrieben hat.

Aufgrund der vorliegenden Testierunfähigkeit der Erblasserin, die beide Testamente geschrieben hat, ist auch eine Umdeutung in wirksame Einzeltestamente nicht möglich.

Es ist abermals ersichtlich, dass die formalen Voraussetzungen des BGB bei der Erstellung eines Testaments einzuhalten sind.






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