Das Oberlandesgericht Oldenburg hat mit Beschluss vom 08.07.2020 – 3 W 40/20 – im Rahmen eines Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens über folgende Fallgestaltung zu entscheiden:
Die Erblasserin hatte dem Antragsteller in einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament den Pflichtteil entzogen. Die Erblasserin verwies dabei auf eine Verurteilung des Antragstellers zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe, die er in der JVA Ort 3 verbüßt hat. Außerdem verwies die Erblasserin im gemeinschaftlichen Ehegattentestament darauf, dass der Antragsteller neben seiner Drogen- und Alkoholsucht auch bereits mehr……. hat, es Aufenthalte in der Psychiatrie gab und Verurteilungen zu Gefängnisstrafen sowie deren Vollstreckung.
Es war jetzt strittig, ob diese Angaben im gemeinschaftlichen Ehegattentestament ausgereicht haben, um den Pflichtteil zu entziehen.
Das Oberlandesgericht Oldenburg stellt dabei fest, dass in Bezug auf die Straftat ein einmaliger, aber schwerwiegender Verstoß gegen die Strafnormen genügt. Es spielt auch dabei keine Rolle, ob der Pflichtteilsberechtigte von seinem Verhalten bzw. Lebenswandel abrückt, es reicht daher zum einen eine Jahrzehnte zurückliegende Tat aus, zum anderen ist keine Prognoseentscheidung erforderlich. Somit bedeutet die Abkehr vom bisherigen strafbaren Verhalten des Berechtigten auch nicht, dass er seinen Pflichtteil wiedererhält. Nur wenn der Erblasser dem Pflichtteilsberechtigten zu Lebzeiten nachweisbar verziehen hätte, würde der Pflichtteilsanspruch wiederaufleben.
Die Angaben im Testament müssen ausreichend sein. Ein Nachschieben von Gründen durch die Erben in einem Pflichtteilsentziehungsprozess ist nicht möglich. Es darf auch nicht nur der Gesetzeswortlaut nur wiederholt werden. Dies ist nicht ausreichend. Allerdings ist es auch nicht notwendig, den Sachverhalt in allen Einzelheiten aufzuführen. Es genügt vielmehr die Angabe des Sachverhaltskerns. Im Zweifel ist durch Auslegung der letztwilligen Verfügung zu bestimmen, auf welche Sachverhalte sich die Entziehung sich stützen soll und ob diese Vorgänge hinreichend konkret dargelegt wurden. Dabei ist ein Verweis auf ein laufendes Gerichtsverfahren ausreichend.
Weiter muss dem Testament hinreichend die gegebene Unzumutbarkeit zu entnehmen sein. Die Unzumutbarkeit liegt vor, wenn die Straftat den persönlichen, in der Familie gelebten Wertvorstellungen des Erblassers in hohem Maße widerspricht. Es gibt dabei eine Wechselwirkung zwischen der Schwere der Tat und der Unzumutbarkeit. Wie umfangreich der Erblasser diese Gründe darstellen muss, ist nach dem jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. Hier gilt: Je schwerer die Straftat, desto knapper kann die Darstellung ausfallen. Bei schwersten Straftaten kann sich die Motivation dabei schon aus der Tatbegehung ergeben. Insgesamt dürfen auch hier keine zu hohen Anforderungen an den Erblasser gestellt werden. Der Erblasser kann sich dann mit dem Hinweis auf die Begehung der Tat begnügen. Es kann vom Erblasser nicht verlangt werden, dass rechtliche Abwägungen zum Fehlverhalten und den persönlichen Wertvorstellungen abgegeben werden.
Im vorliegenden Fall ergibt sich die Unzumutbarkeit bereits aus der Zusammenschau der im gemeinschaftlichen Testament enthaltenen Beweggründe für eine Entziehung des Pflichtteils. Die Erblasserin verwies bekanntermaßen auf die Drogen- und Alkoholsucht, die Psychiatrie und die Verurteilung zu Gefängnisstrafen und die Vollstreckung. Nach dem Oberlandesgericht Oldenburg genügen diese Ausführungen um deutlich zu machen, dass die dann zusätzlich erfolgte Verurteilung zu einer mehrjährigen Haftstrafe den Wertvorstellungen der Erblasserin widersprach und mithin die Teilnahme des Antragstellers am Nachlass für sie unzumutbar war.
Das Oberlandesgericht Oldenburg stellt in klarer Angabe dar, dass für die Entziehung des Pflichtteils wegen einer Straftat das spätere Verhalten des Verursachers keinerlei Rolle spielt. Es wird auch deutlich gemacht, dass eine Jahrzehnte zurückliegende Tat ausreichend ist. Das erkennende Gericht stellt auch klar, dass die Angabe des Sachverhaltskerns für die Entziehung genügt und dass hier die Anforderungen an die Konkretisierung nicht überspannt werden dürfen. Weiter wird deutlich gemacht in Bezug auf die Unzumutbarkeit der Teilhabe des Abkömmlings am Nachlass, dass hier eine Art Wechselwirkung zwischen der Schwere der Tat und der Unzumutbarkeit vorliegt.
Es ist abschließend festzuhalten, dass die Rechtstreitigkeit in diesem Bereich zunehmen und daher auch immer mehr Rechtsicherheit für die Mitbürger für die Entziehung des Pflichtteils in der letztwilligen Verfügung und deren Voraussetzung geschaffen werden. Nichtsdestotrotz darf nicht verkannt werden, dass zwischenmenschliche Streitigkeiten oder ein sich nicht Kümmern um den Erblasser nicht genügen, um den Pflichtteil rechtswirksam zu entziehen.
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