Das Oberlandesgericht Zweibrücken hat mit Beschluss vom 12.08.2020 – 3 W 121/19 – über das sogenannte berechtigte Interesse eines Pflichtteilsberechtigten an einer Grundbucheinsicht zu entscheiden. Dem Beschluss lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Mutter des Antragstellers verstarb im Jahr 2020. Der Antragsteller beantragte gegenüber dem Grundbuchamt des AG Montabaur die Erteilung eines amtlichen Grundbuchauszuges für sämtliche im (Mit-)Eigentum seiner verstorbenen Mutter stehenden Grundstücke im Grundbuchbezirk aus dem Grundbuch sowie eine Abschrift sämtlicher Übertragungsverträge zu diesen Grundstücken. Er machte dabei u. a. sein wirtschaftliches Interesse aufgrund bestehender Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend.
Durch Beschluss hat das Grundbuchamt den Antrag zurückgewiesen mit dem Hinweis auf die notarielle letztwillige Verfügung der Erblasserin, aus welcher der Antragsteller ausdrücklich von der Erbfolge ausgeschlossen und ihm sein gesetzlicher Pflichtteil gem. § 2333 BGB entzogen sei.
Es wurde weiter damit begründet, dass dem Grundbuchamt keine Prüfungspflicht obliege und inwieweit die Pflichtteilsentziehung aus den angegebenen Gründen im Testament und dem gegenteiligen Sachvortrag des Antragstellers tatsächlich wirksam oder unwirksam sei.
Dieser Umstand sei – so das Grundbuchamt – vielmehr in einem besonderen Klageverfahren durch eine „Feststellungs- bzw. Anfechtungsklage“ geltend zu machen. Hiergegen legte der Antragsteller Beschwerde ein, welcher der zuständige Rechtspfleger nicht abgeholfen hat und es somit dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorlegte.
Das Oberlandesgericht Zweibrücken bestätigt das berechtigte Interesse an der Grundbucheinsicht im Sinne von § 12 I GBO. Ein solches Interesse wirtschaftlicher Art ist für den Pflichtteilsberechtigten, der nach Eintritt des Erbfalls erbrechtliche Ansprüche prüfen möchte, im Regelfall anerkannt (u. a. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.09.2015, Az: 3 Wx 149/15, zit. nach Juris, dort: Rdnr. 15; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.09.2013, Az: 11 Wx 57/13, zit. nach Juris, dort: Rdnr. 10 ff., Demharter, Grundbuchordnung, 31. Aufl. 2018, § 12 GBO, Rdnr. 12 u. a.).
Der Hinweis des Grundbuchamtes auf die Pflichtteilsentziehung gem. § 2333 BGB wird zurückgewiesen. Ein wirtschaftliches Interesse wird bei einem Pflichtteilsberechtigten nur verneint, wenn dem Pflichtteilsberechtigten seit vielen Jahren der Erbfall bekannt ist und auch der Umstand, dass er von der Erbfolge ausgeschlossen war, und es in diesem Fall an der besonderen Darlegung eines berechtigten Interesses fehlt (vergl. bei ca. 70 Jahre zurückliegendem Erbfall: OLG München, Beschluss vom 13.01.2011, Az: 34 Wx 132/10, zit. nach Juris). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor.
Er wäre allenfalls gegeben gewesen, wenn ganz offenkundig eine wirksame Pflichtteilsentziehung vorläge und somit das Bestehen erbrechtlicher Ansprüche abwegig wäre. Zur Wirksamkeit der Pflichtteilsentziehung ist neben der Entziehungserklärung auch die Angabe eines (zutreffenden) Kernsachverhalts erforderlich, § 2336 II BGB. Dies liegt hier nicht vor.
Auch der Notar hat innerhalb des notariellen Testaments auf die Beweispflicht des Erben hinsichtlich Anzahl, Ausmaß und konkreter Hergänge hingewiesen. Dies wurde durch die Erblasserin jedoch nicht im Testament umgesetzt, da sie nur von genannten mehrfachen tätlichen Angriffen vorgetragen hat, ohne konkrete Zeitangabe oder Benennung eines Zeitraums, in welchem sich die Vorgänge abgespielt haben sollen. Auch wurden keine genauen Angaben zu Zeugen getätigt.
Auch die Angabe eines angeblichen ehrlosen und sittlichen Lebenswandels erschöpft sich nur in Benennung der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Norm einer Wiedergabe des Gesetzestextes. Die formgerechte Angabe eines Entziehungsgrundes lässt sich daraus nicht ableiten. Somit kann die Abwägung im Sinne des § 12 GBO nur zu einer Einsichtnahme führen.
In diesem Zusammenhang ist der Antragsteller auch nicht gehalten, vorrangig einen Auskunftsanspruch auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen. Der § 12 GBO sieht eine solche Einschränkung nicht vor, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Pflichtteilsberechtigte ein berechtigtes Interesse haben kann, die Richtigkeit ihm vorliegender Informationen oder erteilter Auskünfte durch eine eigene Einsichtnahme in das Grundbuch zu verifizieren (vergl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.09.2013, Az: 11 Wx 57/13, zit. nach Juris, Rdnr. 11).
Eine richtige Entscheidung des Oberlandesgerichts Zweibrücken. Aus den zitierten obergerichtlichen Beschlüssen ist ersichtlich, dass fast in jedem Bundesland diesbezüglich bereits Rechtsprechung ergangen ist.
Es sollte hier nicht unerwähnt bleiben, dass aus der Praxis heraus sich in diesem Bereich im Regelfall auch keinerlei Probleme hinsichtlich der begehrten Auskünfte ergeben, wenn die Pflichtteilsberechtigung nachgewiesen ist. Es besteht jetzt Rechtssicherheit in Bezug auf eine angeblich im Testament erfolgte Pflichtteilsentziehung, die nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechend in der letztwilligen Verfügung umgesetzt worden ist.
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