Das oberste Zivilgericht der Bundesrepublik Deutschland, der Bundesgerichtshof, hat mit Beschluss vom 19.06.2019 – IV ZB 30/18 – folgende Fallgestaltung, die häufig in der Urlaubszeit entsteht, zu entscheiden:
Die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann hatten keine Kinder. Sie haben im Jahre 2000 handschriftlich ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in welchem sie sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt hatten. Im März 2012 hatten sie folgenden Text angefügt: „für den Fall eines gleichzeitigen Versterbens ergänzen wir unser Testament wie folgt: Das Erbteil soll gleichmäßig unter unseren Neffen bzw. Nichten (es folgen die Namen von vier Personen) aufgeteilt werden“.
Es war jetzt strittig zwischen der nächsten lebenden Blutsverwandten der zweitverstorbenen Erblasserin nach der sog. gesetzlichen Erbfolge auf der einen Seite und den im Testament genannten Personen auf der anderen Seite, wer Erbe nach der Erblasserin geworden ist. Das Nachlassgericht hatte zunächst die vier Personen aus dem Testament vom März 2012 zu Miterben ausgewiesen, die Erbscheine dann später aber eingezogen. Hiergegen richtete sich die Beschwerde.
Zunächst stellt der BGH fest, dass beide Testamente auslegungsbedürftig hinsichtlich der Frage, ob die Eheleute mit beiden letztwilligen Verfügungen auch eine Regelung für den Fall hätten treffen wollen, dass sie im zeitlichen Abstand versterben sollten.
Zunächst teilt der BGH mit, dass bei der Testamentsauslegung der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen ist. Dabei ist man nicht auf den Wortlaut beschränkt, sondern muss den Wortsinn auch hinterfragen. Auch Umstände außerhalb der Testamentsurkunde sind heranzuziehen.
Ein Erblasserwille außerhalb des Wortlautes muss allerdings formgerecht erklärt werden und nach dem BGH angedeutet oder zumindest versteckt in der letztwilligen Verfügung erklärt und angedeutet werden.
Der BGH stellt dabei bei der Auslegung fest, dass in den beiden letztwilligen Verfügungen nicht angedeutet ist, dass die Erbeinsetzung der vier Beteiligten aus dem Testament vom März 2012 angedeutet ist. Die Bestimmungen des Testaments ergeben weder einzeln noch in ihrem Zusammenhang einen entsprechenden Anhaltspunkt. Desgleichen enthält die Mitteilung „unsere“ Neffen und Nichten keinerlei Andeutung zu einer generellen Schlusserbeneinsetzung. Auch der Umstand, dass beide Testamente in einer Zeitspanne von mehr als 10 Jahren errichtet wurden, lässt nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht den Schluss zu, dass im letzten Testament eine generelle Schlusserbeneinsetzung gewollt war.
Der Bundesgerichtshof urteilt richtigerweise anhand seiner über Jahren gefestigten Rechtsprechung im Sinne der so genannten Andeutungstheorie aus, dass in beiden letztwilligen Verfügungen im vorliegenden Fall nicht angedeutet war, dass die Schlusserbeinsetzung im jüngeren Testament auch für den Fall gewollte war, dass kein gleichzeitiges Versterben vorliegt. Aus der Urteilsbegründung geht ebenso hervor, dass mangels Andeutung im Testament auch nicht die von den vier Beteiligten genannten Zeugen im Rahmen einer mündlichen Verhandlung angehört hätten werden müssen.
Viele Mitbürger schreiben kurz vor einer Flugreise ein Testament und denken dabei an einem gemeinsamen und gleichzeitigen Tod bei einem Flugzeugabsturz. Diese Testamente gelten nicht nur für den gleichzeitigen Tod und demnach noch nach der Urlaubsreise für den Tod des Zweitversterbenden, wenn dies im Testament angedeutet wird.
Es kann jedem Mitbürger nur dringend geraten werden, einen Fachanwalt für Erbrecht oder eine Fachanwältin für Erbrecht aufzusuchen, damit nach dem Tod des Mitbürgers das Vermögen an die Personen vererbt wird, welche auch tatsächlich Erbe werden sollen. Das im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelte Erbrecht hat über 460 Paragraphen. Ich denke es ist offensichtlich, dass hier zahlreiche Fallstricke lauern.
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass per Internet / Formular keinerlei Rechtsberatung stattfinden kann.
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