Mit einem Nießbrauch belastete Grundstücke sind im Rahmen eines Pflichtteilsanspruchs vielfach ein Streitpunkt, wenn der Nießbrauchsberechtigte zugleich der Erbe des Erblassers ist. Das OLG München, Endurteil vom 06.02.2019 – 20 U 2890/18 – hatte folgenden Rechtstreit diesbezüglich zu entscheiden:
Der Kläger ist der einzige Abkömmling des am 13.07.2015 verstorbenen Erblassers und dessen Ehefrau. Die Ehefrau ist zunächst Alleinerbin des Erblassers geworden. Der Kläger hatte demnach einen Pflichtteilsanspruch i.H.v. ¼ der Nachlassmasse. Der Erblasser war zum Todeszeitpunkt Eigentümer mehrerer Grundstücke. An einem Grundstück war zu Lebzeiten des Erblassers ein Nießbrauch zugunsten seiner Ehefrau eingetragen. Im Rahmen eines Sachverständigengutachtens wurde dabei dieser Nießbrauchwert mindernd angesetzt. Der Pflichtteilsberechtigte wendet dagegen in der ersten Instanz vor dem Landgericht ein, dass der zugunsten der Erbin eingetragenen Nießbrauch zu Unrecht berücksichtig worden ist. Das zuständige Landgericht urteilte aus, dass der Nießbrauch nicht abzuziehen ist. Hierauf legte die Beklagte Berufung ein, und das OLG München entschied mit seinem Endurteil, dass der eingetragene Nießbrauch wertmindernd zu berücksichtigen ist.
Das OLG München urteilt aus, dass der Kläger zwar zutreffend darauf hinweist, dass der Nießbrauch gem. §§ 1072, 1063 I BGB wegen Zusammentreffens mit dem Eigentum in der selben Person mit dem Erbfall erloschen ist. Dabei ist aber weiterhin im Blick zu behalten, dass Pflichtteilsansprüche nur hinsichtlich des Erblasservermögens bestehen und das Vermögen Dritter, hier insbesondere der der Erbin schon zu Lebzeiten des Erblassers gebührenden Nießbrauch an einem zum Nachlass gehörenden Grundstück, nicht in die Bewertung mit einzubeziehen ist. Denn andernfalls würde der Pflichtteilsberechtigte auch unabhängig vom Erbfall bei der Erbin vorhandenen Vermögen partizipieren und negiert werden, dass der Erblasser nur ein mit einem Nießbrauch belastetes Grundstück besaß und vererben konnte.
Nach Mitteilung des OLG Münchens sind Rechtsverhältnisse, die infolge des Erbfalls durch Konfusion oder Konsolidation erloschen sind, für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs als nicht erloschen zu behandeln (MünchKom/BGB, § 2311 Rn. 7 m.w.N.). Denn die Höhe des Pflichtteilsbetrages kann nicht davon abhängen, wer zufällig Erbe wird und ob in der Person des Erben die Voraussetzungen der Konfusion oder Konsolidation gegeben sind, vgl. auch §§ 1976, 1991 II, §§ 2143, 2175, 2377 BGB. Dass die Erbin gleichzeitig auch Nießbrauchsberechtigte war, führt deshalb nicht dazu, dass der Pflichtteil aus dem Wert eines unbelasteten Grundstücks zu berechnen wäre.
Das OLG München bestätigt die herrschende Rechtsansicht, dass in dem Falle, wenn für den Erben beispielsweise einen Nießbrauch oder ein Wohnrecht an einer Immobilie eingetragen ist, die er im Erbfall erbt, dass dieser eingetragene Nießbrauch oder das Wohnungsrecht bei der Pflichtteilsberechnung wertmindernd in Abzug zu bringen sind. Das Ergebnis mutet für den juristischen Laien evtl. etwas lebensfremd an, entspricht aber den gesetzlichen Regelungen.
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