Das Oberlandesgericht München hat mit Beschluss vom 23.09.2024 – 33 Wx 325/23 – die folgende Fallgestaltung zu entscheiden:
Der Erblasser war in dritter Ehe verheiratet und ist 2022 verstorben. Aus seiner ersten Ehe die Beteiligte zu 1, aus seiner zweiten Ehe der Beteiligte zu 2 hervor. Die dritte Ehe blieb kinderlos.
Mit handschriftlichem mehrseitigem Testament vom 19.10.2016 setzte der Erblasser seine beiden Kinder zu Miterben zu je ½ ein. Auf der letzten Seite dieses Testaments verfügte der Erblasser: „Sollte mein Sohn aus erster Ehe seine Lebensgefährtin heiraten, wird er enterbt.“.
Der kinderlose Beteiligte zu 1 heiratete 2018 die im vorgenannten Testament genannte Lebensgefährtin, mit welcher er seitdem verheiratet ist. Der Beteiligte zu 2 beantragte am 17.01.2023 die Erteilung eines Alleinerbscheins.
Das Amtsgericht Rosenheim als Nachlassgericht wies den Erbscheinsantrag im Erbscheinsverfahren zurück. Auf die dagegen gerichtete Beschwerde, der nicht abgeholfen wurde, musste das OLG München entscheiden.
Das Oberlandesgericht München wies das Nachlassgericht an, den beantragten Erbschein zu erteilen.
Nach dem Senat lag in der Enterbung des Beteiligten Ziffer 1 keine Sittenwidrigkeit i.S.d. § 138 Abs.1 BGB vor. Zur Zeit des Erbfalls, dem Eintritt der Rechtsfolgen, fehlte die Bedingungen grundsätzlich immanente Ungewissheit, denn es steht fest, ob die sanktionierte Handlung vorgenommen wurde oder nicht. Selbst wenn eine Bedingung vorliegen würde, wäre dies nicht sittenwidrig. Die Rechtsprechung hält Bedingungen für unwirksam, mittels derer der Erblasser die Entschließungsfreiheit des Bedachten zukünftig in Fragen beeinflussen will, die allein von deren freien sittlichen Entschluss abhängen und nicht mit Vermögensvorteilen verquickt sein sollen.
Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass die Bedingung auf den Beteiligten zu 1 nicht aus dem Testament herrührt, sondern von der Ankündigung des Erblassers entspringt. Der potentielle Erbe hat im vorliegenden Fall bei einer Zuwiderhandlung nichts zu verlieren. Das gewillkürte Erbrecht entsteht erst im Augenblick des Erbfalls, weil es bis dahin ungewiss ist, ob der Bedachte den Erbfall überhaupt erlebt. Kann der Erblasser ein bereits errichtetes Testament bis zum Eintritt des Erbfalls jederzeit widerrufen, kann der Bedachte keine Gewissheit in Richtung einer Erbeinsetzung haben, auch dann nicht, wenn er sein Verhalten an den Wünschen des Erblassers ausrichtet. Eine solche Bedingung ist deshalb allenfalls in geringem Maße geeignet, auf den Bedachten rechtlich erheblichen Druck, demjenigen in alltäglichen Lebenssituationen hinausgeht, auszuüben.
Auf jeden Fall ist zu berücksichtigen, dass der Beteiligte zu 1 als Abkömmling pflichtteilsberechtigt ist. Weiter hat der Erblasser den Beteiligten zu 1 geholfen, eine Ausbildung in der Spitzengastronomie zu erhalten und abzuschließen. Weiter war dem Beteiligten zu 1 nicht nahezu jede Eheschließung untersagt, sondern der Erblasser bezog sich auf eine ganz bestimmte Person. Weiter hätte der Erblasser zu seinen Lebzeiten zu jeder Zeit das von ihm missbilligte Verhalten durch eine erneute Enterbung sanktionieren können. Aus dem Umstand, dass der Erblasser nach der Hochzeit des Beteiligten zu 1 nicht erneut testiert hat, lässt sich nicht schließen, dass die Enterbung keinen Bestand mehr haben sollte.
Damit unterscheiden sich die Fälle, in denen der Eintritt oder der Ausfall der Bedingung vor dem Erbfall bereits feststeht und solche, in denen an ein nach dem Erbfall liegendes Verhalten angeknüpft wird. Nur in den letztgenannten Fällen droht dem Bedachten ein echter Entscheidungskonflikt, denn er ab dem Erbfall steht er vor der Wahl, sich entweder dem Willen des Erblassers zu beugen und die Erbschaft zu erhalten oder aber diesen Willen zu ignorieren und die Erbschaft zu verlieren. Diese Fallgestaltung ist hier nicht gegeben.
Weiter war die im Testament ausgesprochene Enterbung für den Fall der Eheschließung ungeeignet, das Verhalten des Beteiligten zu 1 zu beeinflussen und auf diesen erheblichen Druck auszuüben, denn der Beteiligte zu 1 ist in Kenntnis der angekündigten Enterbung die Ehe eingegangen.
Selbst wenn die Enterbung sittenwidrig gewesen wäre, wären unter Anwendung des § 2085 BGB die restliche Verfügung wirksam. Dies ergibt sich im Wege der sog. ergänzenden Auslegung des Testaments.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze lässt sich aus dem vorliegenden Testament kein Wille des Erblassers entnehmen, an der Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1 auch dann festzuhalten, wenn dieser die Bedingung – Eheschließung – verwirklicht. Im Gegenteil: Der Umstand, dass der Erblasser die bedingte Erbeinsetzung an letzterer und damit hervorgehobener Stelle des Testaments anordnet und damit der am Anfang vorgenommenen Erbeinsetzung entgegensetzt, spricht dafür, dass es ihm auf den Ausschluss des Beteiligten zu 1 von der Erbfolge in besonderem Maße ankam, falls dieser die vom Erblasser missbilligte Ehe eingeht. Die Erbeinsetzung lässt sich mithin auch nicht im Wege der ergänzender Testamentsauslegung feststellen.
Das Oberlandesgericht München unterteilt strickt in Eintritt der Bedingungen vor dem Erbfall und Einritt der Bedingung nur nach dem Erbfall. Es wird dabei herausgearbeitet, dass der Erblasser auch nach der Kenntnis der Hochzeit des Beteiligten zu 1 sein Testament nicht geändert hat. Es gibt sicherlich gute Gründe für ein anderes Ergebnis, jedoch ist diese Rechtsprechung ab jetzt zu beachten.
Sittenwidrigkeit der bedingten Erbeinsetzung wäre vorgelegen, wenn der Erblasser zeitlich nach der Heirat testiert hätte, dass der Beteiligte zu 1 nur Erbe wird, wenn er sich scheiden lasst. Hier wäre eine zukünftige Beeinflussung vorgelegen.
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass per Internet / Formular keinerlei Rechtsberatung stattfinden kann.
Kontakt
