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Thomas Maulbetsch - Fachanwalt für Erbrecht in Obrigheim bei Mosbach
30.05.2024

Erbschaftsteuerliche Doppelbelastung der Jastrow´schen Klausel im Berliner Testament

Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 11.10.2023 – II R 34/20 – Rechtssicherheit in Bezug auf die sog. Jastrow´sche Klausel in einem Berliner Ehegattentestament ausgeurteilt. In einem Berliner Ehegattentestament von Eltern hatten diese sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und das Testament enthielt die folgende Jastrow´sche Klausel:

„Wenn eines unserer Kinder von dem Nachlass des Erstversterbenden von uns den Pflichtteil fordern sollte, so soll gelten: Die in diesem Testament zu Erben berufenen Töchter, die den Pflichtteil nicht verlangen, sollen aus dem Nachlass des Erstversterbenden ein Vermächtnis erhalten, das für jedes dieser Kinder so groß sein soll, wie dessen Erbanteil bei gesetzlicher Erbfolge und Übernahme der Pflichtteilslast diese Kinder sein würde. Die Vermächtnisse sollen sofort beim Tod des Erstversterbenden anfallen, aber erst beim Tode des Letztversterbenden ausgezahlt werden. Das Kind, das den Pflichtteil verlangt, soll auch vom Nachlass des Überlebenden nur den Pflichtteil erhalten.“

Nach dem Tod des Vaters forderten zwei enterbte Geschwister ihren Pflichtteil von der Mutter. Nach dem Tod einer weiteren Schwester setzte die Mutter ein Testament auf, in dem sie die Klägerin und zwei andere Schwestern als Erben einsetzte und die beiden enterbten Geschwister ausschloss.

Die Mutter starb 2012 und die Klägerin und ihre beiden Schwestern gaben in ihrer Erbschaftsteuererklärung den Abzug von Nachlassverbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 3.329.593,00 € aus betagten Vermächtnissen nach dem Tode des Vaters an.

Betagte Vermächtnisse sind keine Nachlassverbindlichkeit

Das Finanzamt erkannte die betagten Vermächtnisse nicht als Nachlassverbindlichkeit an. Nachdem der Einspruch der Klägerin gegen den Bescheid des Finanzamtes zurückgewiesen wurde, legte die Klägerin Revision ein.

Fälligkeit des betagten Vermächtnisses ist entscheidend

Die Revision ist unbegründet, weil die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer nicht um den Betrag der Vermächtnisverbindlichkeit zu mindern und in gleicher Höhe kein Anspruch des erlangten betagten Vermächtnisses bei der Berechnung der Erbschaftsteuer erfolgt ist.

Die Klägerin ist nicht nur Schlusserbin nach der Mutter, sondern sie hat das mit dem Tod der Mutter fällig gewordene Vermächtnis nach der Jastrow´schen Klausel erworben und dieses ist als von der Mutter stammend nach § 3 I 1 2. Alt. ErbStG zu versteuern.

Das Vermächtnis ist zwar beim Tod des Vaters entstanden, wird aber erst mit dem Tod der Mutter fällig.

Betagte Vermächtnisse im Erbschaftsteuerrecht

Erbschaftsteuerrechtlich werden nach § 6 IV ErbStG Vermächtnisse, die beim Tod des Beschwerten fällig sind, über eine Gleichstellung mit den Nacherbschaften im Wesentlichen so behandelt, wie Vermächtnisse, die beim Tod des Beschwerten anfallen. Demnach ist es als von der Mutter stammend zu versteuern. Allerdings ist dies eine Nachlassverbindlichkeit nach § 10 V 1 ErbStG und kann demnach von der Erbmasse abgezogen werden. Die Mutter selbst konnte als Erbin des Vaters dies nicht als Nachlassverbindlichkeit abziehen.

Zwei unterschiedliche Erwerbsvorgänge lagen vor

Nach dem BFH liegt auch keine Doppelbesteuerung im engeren Sinne vor, da es sich beim Erwerb des überlebenden Ehegatten, hier der Mutter, von dem zuerst verstorbenen Ehegatten, dem Vater, einerseits und dem späteren Erwerb des Kindes, der Klägerin, als Vermächtnisnehmer vom zuletzt verstorbenen Ehegatten, der Mutter, andererseits nicht um denselben Lebenssachverhalt handelt. Es liegen zwei zeitlich nacheinander erfolgte Erwerbsgänge von unterschiedlichen Erblassern mit unterschiedlichen Begünstigten vor.

Anmerkung von Fachanwalt für Erbrecht Thomas Maulbetsch

Die Jastrow´sche Klausel führt zunächst zu einkommensteuerrechtlichen Problemen in Bezug auf die Zinsen. Dies führt zu einer erheblichen Zinsbelastung der forderungsberechtigten Abkömmlinge in dem Jahr, in dem diese ihnen zufließen, da ein Zufluss aus Kapitalvermögen gem. §§ 20 I 7, 2 I 5 EStG vorliegt.

Ein weiteres Problem der Jastrow´schen Klausel ist, dass die Erbschaftsteuerfreibeträge nach dem zuerst verstorbenen Ehegatten gem. § 16 I 2 i. V. m. § 15 I 2 ErbStG nicht ausgenutzt werden.

Bei großen Vermögen sollte deshalb nach dem sog. Trennungsprinzip mit gegenseitiger Einsetzung der Vorerben und Einsetzung der Abkömmlinge zu Nacherben sowie vorweggenommene Erbfolge ohne Vorbehalt von Nutzungsrechten, evtl. mit Übertragung gegen Rentenzahlung, gearbeitet werden.

Eine weitere Möglichkeit wäre, die Erbschaftsteuerfreibeträge im ersten Erbfall bereits über spezielle Vermächtnisse auszunutzen. Allerdings ist damit natürlich dann ein Liquiditätsabfluss für den überlebenden Ehegatten mitverbunden. Es gibt auch enge zeitliche Rahmen, in welchen dies dann nur akzeptiert wird. Es sollte in allen Testamenten, die noch vorliegen und abgeändert werden können, überlegt werden, ob die Jastrow´sche Klausel nicht angepasst wird.






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