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Thomas Maulbetsch - Fachanwalt für Erbrecht in Obrigheim bei Mosbach
18.12.2019

Erforderlichkeit eines Erbscheins bei Scheidungsklausel abweichend von den gesetzlichen Vorgaben

Das Oberlandesgericht Naumburg hatte mit Beschluss vom 11.12.2018 – Az. 12 Wx 59/18 – zu entscheiden, ob bei einem gemeinschaftlichen notariellen Testament der Eheleute beim Vorversterben eines Ehegattens mit dem Inhalt einer Scheidungsklausel, die vom gesetzlichen Text des § 2077 BGB abweicht, ein Erbschein zwingend gegenüber dem zuständigen Grundbuchamt für die Grundbuchberichtigung vorzulegen ist.

Der Erblasser und Ehemann ist am 20.07.2017 verstorben. Er hatte mit Datum 28.07.2011 mit seiner Ehefrau ein gemeinschaftliches notarielles Testament erstellt, in welchem u.a. die folgende Verwirkungsklausel enthalten war:

„Wird unsere Ehe geschieden oder aufgehoben oder hat der Überlebende zum Zeitpunkt des Todes des Erstversterbenden Scheidungs- oder Aufhebungsklage eingereicht, ist diese Verfügung unwirksam.“.

Scheidungsklausel im Ehegattentestament enthalten

Ca. 1 Jahr nach dem Tod des Erblassers wollte die überlebende Ehefrau als ursprünglich ½-Miteigentümerin und Erbin des ½-Miteigentumanteils des Erblassers das Anwesen schenkweise übertragen.

Das zuständige Grundbuchamt wollte die Umschreibung des Grundbuchs nicht durchführen mit der Begründung, dass zunächst eine Bestätigung des zuständigen Familiengerichts binnen einer Frist von zwei Monaten vorzulegen sei, wonach eine Scheidungs- oder Aufhebungsklage zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers nicht eingängig war.

Grundbuchamt verlangte Nachweis

Die Erblasserin bevollmächtigte den zuständigen Notar, der für sie Beschwerde einlegte, mit der Begründung, für die Umschreibung genüge das notarielle Testament nebst Eröffnungsprotokoll. Nachdem das Grundbuchamt der Beschwerde nicht abgeholfen hatte, wurde das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Nachweis des Erbrechts gegenüber Grundbuchamt

Das Oberlandesgericht Naumburg teilt in seiner Beschwerdebegründung richtigerweise mit, dass die Zwischenverfügung des Grundbuchamts richtigerweise verlangt worden ist. Das Grundbuchamt hat § 35 GBO rechtsfehlerfrei angewendet. Nach § 35 I 1 GBO ist zum Nachweis der Erbfolge grundsätzlich die Vorlage eines Erbscheins Voraussetzung. Sofern die Erbfolge auf einer Verfügung von Todeswegen beruht, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, genügt in aller Regel die Vorlage der Verfügung und der Niederschrift über deren Eröffnung, § 35 I 2 1. Halbs. GBO. Der Nachweis in dieser – hier gegebenen – Form durch eröffnetes Testament reicht aber nicht aus, wenn sich die Prüfung der Verfügung hinsichtlich des behaupteten Erbrechts Zweifel ergeben, wobei entfernte Vermutungen außer Betracht zu bleiben haben.

Scheidungsklausel bedingte Lücke im urkundlichen Nachweis

Im vorliegenden Fall ist das Grundbuchamt bei der ihm obliegenden Prüfung zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass durch das notarielle Testament vom 28.07.2011, die Stellung der Ehefrau als Alleinerbin und damit Verfügungsberechtigte über die Grundstücke nicht belegt ist. Die Stellung eines entsprechenden Scheidungs- und Aufhebungsantrags würde sich auf ihre Erbenstellung auswirken. Besteht somit die Möglichkeit, dass die Erbin Pflichtteilsberechtigte geworden ist und Dritte, beispielsweise gemeinsame Kinder zu Erben berufen sind. Dementsprechend besteht eine Lücke im urkundlichen Nachweis der Erbfolge. Bei einer Lücke im urkundlichen Nachweis der Erbfolge hat das Grundbuchamt grundsätzlich einen Erbschein zu verlangen, kann aber auch eine dahingehende eidesstattliche Versicherung der Erbin in Form des § 29 GBO oder für den Nachweis ausreichende Erklärung der Beteiligten genügen lassen, wenn es damit den Nachweis der Erbfolge als erbracht ansieht.

Gesetzliche Vermutung in Bezug auf Scheidung wurde ausgeweitet

Im vorliegenden Fall haben die Eheleute eine über § 2077 I 2 BGB deutlich hinausgehende Regelung getroffen, nämlich auf die Unwirksamkeit des Testaments im Falle des Scheidungsantrag durch den Überlebenden bestimmt, und zwar unabhängig davon, ob die Voraussetzungen der Ehescheidung vorliegen, wie dies § 2077 I BGB weiter vorsieht. Die Eheleute haben demnach die gesetzliche Vermutung ausgeweitet. Damit hat das Grundbuchamt zu Recht die Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung durch das Familiengericht verlangt. Dies ist neben dem Erbschein – der nicht verlangt wurde – ein sogenannter sekundärer Unrichtigkeitsnachweis, wobei das Grundbuchamt für den Nachweis ausreichende Erklärung der beteiligten in der Form des § 29 GBO verlangen kann.

Beurteilungsspielraum für Nachweis gegenüber Grundbuchamt

Für die Art der Nachweisführung hat das Grundbuchamt allerdings einen gewissen Beurteilungsspielraum und ist nicht auf die eidesstattliche Versicherung der Ehegatten beschränkt. Der Nachweis in der Form des § 29 GBO kann auch durch die Erklärung einer Behörde nach § 29 III GBO, wie das Grundbuchamt hier meint das zuständige Familiengericht, geführt werden. Eine nur vorgelegte Sterbeurkunde ist hier nicht ausreichend.

Eigener Hinweis von Fachanwalt für Erbrecht Thomas Maulbetsch

Der vorliegende Sachverhalt führt wieder vor Augen, dass sich der Erblasser bzw. die Erblasser bei einem Ehegattentestament immer die juristischen Konsequenzen jeder einzelnen Verfügung „vor Augen halten“ müssen. Im vorliegenden Fall wurde die gesetzliche Regelung erweitert mit den dann hinzunehmenden Konsequenzen. Wären die beiden Erblasser nicht von der gesetzlichen Regelung des § 2077 BGB abgewichen, so hätte das notarielle Testament mit Eröffnungsprotokoll ausgereicht.






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