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Thomas Maulbetsch - Fachanwalt für Erbrecht in Obrigheim bei Mosbach
20.10.2019

Wirksamwerden eines Erbvertrages durch das Inkrafttreten der EU-Erbrechtsverordnung

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 10.07.2019 – IV ZB 22/18 – folgende Fallgestaltung zu entscheiden:

Die Erblasserin ist im Jahre 2017 verstorben. Sie errichtete vorab 1998 einen notariellen Erbvertrag und am 25.04.2016 ein notarielles Testament. Den Erbvertrag errichtete sie mit ihrem damaligen nichtehelichen Lebengefährten, welcher italienischer Staatsangehöriger war und seit 1986 in Deutschland wohnt. In dem Erbvertrag hatten sich beide Vertragsparteien gegenseitig zu Alleinerben und als Erben des Letztversterbenden die gemeinsamen Kinder, hiervon gibt es zwei, zu gleichen Teilen eingesetzt. Dort wurde unter anderem „als Rechtswahl das deutsche Erbrecht“ bzgl. aller Regelungen über das Erbrecht vereinbart. Im späteren notariellen Einzeltestament nach Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft setzte die Erblasserin ihre noch nicht geborenen Enkelkinder als Erben zu gleichen Teilen ein und für den jetzt eingetretenen Fall, dass solche zum Todeszeitpunkt noch nicht vorhanden sind, die Beteiligte zu 4 als Alleinerbin.

Es war jetzt strittig, ob der ehemalige nichteheliche Lebensgefährte Alleinerbe durch den notariellen Erbvertrag von 1998 geworden ist oder auf Grund des notariellen Testaments vom 25.04.2016 die Beteiligte zu Ziffer 4.

Ursprünglich unwirksame Rechtswahl wird nachträglich wirksam

Der Bundesgerichtshof konnte erstmals dazu Stellung nehmen, ob eine im Errichtungszeitpunkt – hier 06.10.1998 – unwirksame Rechtswahl durch die EU-Erbrechtsverordnung nachträglich geheilt wird. Die EU-Erbrechtsverordnung ist selbst am 17.08.2015 in Kraft getreten. Der Bundesgerichtshof urteilt hier richtigerweise aus, dass mit Art. 93 EU-Erbrechtsverordnung eine Heilungswirkung verbunden ist für bis zum 17.08.2015 unwirksamen Rechtswahlen der sogenannten Errichtungsstatuts.

Der Erbvertrag aus 1998 war demnach bis zum Inkrafttreten der Erbrechtsverordnung nicht wirksam. Dieser Wirksamkeitsmangel ist aber durch die EU-Erbrechtsverordnung geheilt worden. Dies stellt auch keine unzulässige (echte) Rückwirkung dar. Der Bundesgerichtshof begründet dies damit, dass bei erbrechtlichen Sachverhalten jeder Erblasser damit rechnen muss, dass vor seinem Tod es Gesetzesänderungen geben könnte.

Im vorliegenden Fall konnte wegen der Trennung der nicht miteinander verheirateten Partner der eheähnlichen Lebensgemeinschaft auch eine Anpassung des Erbvertrages nach dem 17.08.2015 nicht mehr in Betracht kommen. Die Erblasserin hätte demnach vom Erbvertrag zurücktreten müssen bzw. die gegenseitige Erbeinsetzung wegen Wegfalls der Lebensgemeinschaft anfechten müssen. Beide Tätigkeiten wurden nicht durchgeführt, so dass der Expartner doch noch Alleinerbe wurde. Begründet wurde es zu Recht auch damit, dass der § 2077 BGB auf sonstige Lebensgemeinschaften nicht anwendbar ist.

Praxishinweis von RA und Fachanwalt für Erbrecht Thomas Maulbetsch

Der vorliegende Fall zeigt, dass durch die EU-Erbrechtsverordnung vor dem 17.08.2015 geschlossene Rechtswahlen doch noch rechtswirksam werden können. Der Bundesgerichtshof hat in erfreulich eindeutiger Art und Weise dargestellt, dass dies auch keine verbotene Rückwirkung ist.

Die Mitbürger sind demnach aufgefordert, alle Testamente bzw. Erbverträge mit internationalem Bezug, demnach wenn ein Vertragspartner bzw. Erblasser eine ausländische Staatsangehörigkeit hatte, nochmals überprüfen zu lassen, ob diese jetzt Gültigkeit haben. Wird dies unterlassen, so kann es – wie im vorliegenden Fall – zu überraschenden Ergebnissen kommen, welche hier die Erblasserin sicherlich nicht gewollt hätte. Dies wird durch das neue notarielle Einzeltestament, welches leider keinerlei Wirkung auf Grund der Bindung durch den Erbvertrag entfaltet, dokumentiert.






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