Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 31.07.2024 – II R 13/22 – die folgende Fallgestaltung abschließend zu beurteilen:
Der Kläger wurde von seinem Großvater, der der Erblasser war, testamentarisch als Erbe zu ¼ eingesetzt. Zuvor hatte der Vater des Klägers mit notariellem beurkundetem Vertrag vom 14.01.2023 gegenüber dem Erblasser auf sein gesetzliches Erbrecht einschließlich seines Pflichtteilsrechts verzichtet. Die Erstreckung des Erbverzichts auf weitere Abkömmlinge wurde ausgeschlossen.
Nach dem Todesfall des Erblassers beantragte der Kläger in der Erbschaftsteuererklärung die Gewährung des Freibetrages von € 400.000,00 gem. § 16 Abs.1 Nr.2, 2.Alt. ErbStG i.V.m. § 15 Abs.1 Steuerklasse I, Nr.2 ErbStG, weil er auf Grund der in § 2346 Abs.1 S.2 BGB angeordneten zivilrechtlichen Vorversterbensfiktion als Kind eines verstorbenen Kindes i.S.d. § 16 Abs.1 Nr.2, 2.Alt. ErbStG anzusehen sei.
Der Bundesfinanzhof urteilt als Revisionsgericht aus, dass dieser erhöhte Freibetrag von € 400.000,00 nicht zu gewähren ist. Der Bundesfinanzhof begründet dies mit dem Wortsinn der Norm des § 16 Abs.1 Nr.2, 2. Alt. ErbStG, der eindeutig von „verstorbenen Kindern“ spreche und nicht von „als verstorben geltenden Kindern“. Nach dem klaren Wortlaut des Tatbestandsmerkmahl der Vorschrift ist dieses Tatbestandsmerkmal nur erfüllt, wenn das Kind tatsächlich verstorben sei, nicht jedoch, wenn es auf Grund einer gesetzlichen Fiktion als verstorben gelte.
Nach dem Bundesfinanzhof ergibt auch die systematische Auslegung des § 2346 Abs.1 S.2 BGB nicht, dass ein als verstorben geltendes Kind von dieser Freibetragsregelung erfasst sei. Der Aufbau des § 16 spreche dafür, dass der erhöhte Freibetrag nicht nur erteilt werden kann, wenn das Kind tatsächlich vorverstorben ist. Auch die Staffelung des § 16 Abs.1 Nr.2, Nr. 3 im Bezug auf den Freibetrag zeige, dass erst dann, wenn die direkte vorhergehende Generation nicht mehr am Leben sei, der erhöhte Freibetrag von € 400.000,00 anstatt € 200.000,00 für den Enkel als Waise entscheidend ist.
Auch der Sinn und Zweck der Regelung ergibt im vorliegenden Fall keine Erhöhung.
Abschließend teilt der Bundesfinanzhof auch mit, dass eine analoge Anwendung des § 16 Abs.1 Nr.2, 2.Alt. mangels des Vorliegens eine Regelungslücke nicht in Frage kommt. Die analoge Anwendung würde sogar bedeuten, dass es zu einer Doppelbegünstigung kommen könnte. Denn das Kind des Erblassers könne trotz seines Verzichts auf Grund gewillkürter Erbfolge vom Erblasser zum Erben berufen werden. In diesem Fall könnten – so der Bundesfinanzhof – sowohl das Kind als auch der Enkel des Erblassers jeweils einen Freibetrag i.H.v. € 400.000,00 in Anspruch nehmen. Allein die Möglichkeit des Eintritts einer Doppelbegünstigung sei ausreichend, um eine analoge Anwendung der Regelung auszuschließen.
Laut dem Bundesfinanzhof verstößt dies auch nicht gegen Art. 14 Abs.1 oder dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs.1 Grundgesetz.
Der Bundesfinanzhof stellt in aller Deutlichkeit klar, dass ein notarieller Erbverzicht des Kindes für das Enkelkind nicht zur Folge hat, dass dessen erbschaftsteuerrechtlicher Freibetrag erhöht wird. Die Argumentation des Bundesfinanzhofs mit dem Wortlaut und den systematischen und historischen Überlegungen ist schlüssig.
Nur wenn das Kind tatsächlich vor dem Erblasser vorverstorben wäre, hätte das Enkelkind den erhöhten Freibetrag von € 400.000,00 geltend machen können. Diese Rechtsfrage ist demnach abschließend ausgeurteilt.
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass per Internet / Formular keinerlei Rechtsberatung stattfinden kann.
Kontakt