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Thomas Maulbetsch - Fachanwalt für Erbrecht in Obrigheim bei Mosbach
03.10.2022

Auslegung des Begriffs „vorhandenes Bargeld“ in einem privatschriftlichen Testament

Der Erblasser E hatte in seinem handschriftlichen Einzeltestament das „vorhandene Bargeld“ als Vermächtnis vermacht. Es war jetzt streitig, was der Erblasser unter „vorhandenes Bargeld“ verstand.


Das Oberlandesgericht München hatte mit Urteil vom 05.04.2020 – 33 U 2473/21 – folgende Fragegestaltung zu entscheiden:

Vorhandenes Bargeld als Vermächtnis

Der Erblasser E hatte in seinem handschriftlichen Einzeltestament das „vorhandene Bargeld“ als Vermächtnis vermacht. Es war jetzt streitig, was der Erblasser unter „vorhandenes Bargeld“ verstand.

Durch Auslegung den wahren Willen erforschen

Das Oberlandesgericht München teilt zunächst mit, dass durch Auslegung der wahre Wille des Erblassers zu ermitteln ist und geprüft werden muss, ob dieser formgerecht niedergelegt wurde.

Zunächst wird eine Wortlautanalyse durchgeführt

Zunächst wurde eine sogenannte Wortlautanalyse durchgeführt. Das Oberlandesgericht kam dabei zu der Entscheidung, dass der Begriff „Bargeld“ nicht zwangsläufig auch die auf den Konten vorhandenen Buchgelder umfasst. Es ist dabei im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass hier eine ausdrückliche Erbeinsetzung im Testament vorliegt und demnach nicht über die Zuwendung von Bargeld eine Erbeinsetzung erfolgen konnte.

Bargeld ist nicht gleich Buchgeld im allgemeinen Sprachgebrauch

Nach Angaben des Oberlandesgerichts München ist das auf den Bankkonten liegende Bargeld ersichtlich „unbar“. Unter Hinweis auf die Deutsche Bundesbank und die dortigen Begrifflichkeiten verweist das Oberlandesgericht darauf, dass es gewichtige Argumente für die Auslegung des Begriffs „vorhandenes Bargeld“ in Errichtung der physisch vorhandenen Münzen und Scheine gibt. Daraus folgert der Senat, dass es keinen allgemeinen Schluss für den allgemeinen Sprachgebrauch geben kann, dass mit dem Begriff „Bargeld“ auch das Buchgeld gemeint ist.

Auch gibt es nach Ansicht des Senats keinerlei Regel, dass mit dem Begriff „Bargeld“ häufig schlicht die Bezeichnung von Zahlungsmitteln verwendet werden soll. Ein gewichtiges Indiz ist weiter, so der Senat, der Umstand, dass die Erblasserin eine wirtschaftlich erfahrene Person war und wenige Wochen vor ihrem Tod eine Kreditaufnahme von € 350.000,00 getätigt hatte. Es liegt somit in ihrer Person nahe, dass die Erblasserin sich über den Begriff „das vorhandene Bargeld“ entsprechende Gedanken gemacht und nicht zufällig oder leichtfertig verwendet hat.

Umstände des Einzelfalls sind entscheidend

Ausgehend von den Umständen des Einzelfalles kommt das Oberlandesgericht letztendlich zu dem Schluss, dass aus den genannten Gründen der Begriff des Bargelds nicht so auszulegen war, dass damit allein das bei der Erblasserin physisch vorhandene Bargeld, bestehend aus Scheinen und Münzen, gemeint war.

Anmerkung von RA und Fachanwalt für Erbrecht Thomas Maulbetsch

Ein leider immer wieder alltäglich auftretender Fall. Das Problem ist in diesen Fällen, dass der Erblasser bzw. die Erblasserin nicht genau definiert, was unter „vorhandenem Bargeld“ oder „Geldvermögen“ oder „Bargeld“ vom Erblasser verstanden wird. Es muss dann das Nachlassgericht anhand der Umstände des Einzelfalles durch Auslegung herausfinden, was der Erblasserwille war. Um solche späteren Streitigkeiten zu vermeiden, verweise ich Sie auf mein diesbezügliches Video mit dem Titel "Das Geldvermächtnis - Fallstricke vermeiden".





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