Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. hatte mit Urteil vom 05.04.2022 – 10 U 200/20 – folgende Fallgestaltung zu entscheiden:
Eine Erblasserin hatte in einem notariellen Testament neben der Erbeinsetzung folgendes von dem Erben zu erfüllendes Vermächtnis angeordnet: „Meine Wertpapiere i.H.v. derzeit € 780.000,00 bei der Bank 1 sollen verkauft werden. Den Erlös vermache ich folgenden Personen zu je 1/6-Anteil: …..“.
Nach der Erstellung des Testaments am 28.09.2010 wurde später das angelegte Geld aus dem im Zeitpunkt der Testamentserrichtung im Depot befindlichen Wertpapieren nach dem Ende von deren Laufzweit nicht wieder in Anleihen oder andere Wertpapiere angelegt, da ein großes Risiko entsprechender Renditen vorlag. Die Rückzahlungen wurden deshalb auf ein Festgeld-Sparkonto von einem Bevollmächtigten der Erblasserin angelegt.
Zum Todeszeitpunkt wies das Wertpapierdepot nur noch einen Wert i.H.v. € 101.569,00 auf. Die Spareinlagen auf dem Festgeld-Sparkonto € 611.735,45.
Die beklagten Erbinnen zahlten nur aus dem Wertpapierdepot von € 101.569,00 an die 6 Vermächtnisnehmer ihre Ansprüche. Es war jetzt strittig, ob auch aus den Festgeld-Sparkonto i.H.v. € 611.735,45 die Vermächtnisnehmer jeweils einen 1/6-Anspruch hatten.
Das Oberlandesgericht Frankfurt urteilt aus, dass den Klägern eine weitere Vermächtniserfüllung zusteht. Die Erblasserin hat Wertpapiere vermacht, die eine Forderung verbriefen. Somit handelt es sich um ein Forderungsvermächtnis i.S.v. § 2173 BGB. Es war auch der Wunsch der Erblasserin der gleichmäßigen Verteilung des Wertpapierdepots.
Nach Angaben des Oberlandesgerichts Frankfurt ist vorliegend der Gegenwert der Wertpapiere – jedenfalls in Form des Festgeld-Sparkontos – noch in der Erbmasse vorhanden. Das Festgeldkonto ist als Surrogat des Wertpapiervermögens zu behandeln.
Die vermachten verbrieften Forderungen sind auf die Leistung von Geldsummen gerichtet, so dass die Regelung des § 2173 S. 2 BGB anwendbar ist. Das Bürgerliche Gesetzbuch geht dabei davon aus, dass sich der Wert der Erfüllungsleistung bzw. der Veräußerungserlös im Bestand des Nachlasses irgendwie auswirkt (Staudinger/Otte, § 2173, Rn. 8). Daher wird § 2173 S. 2 BGB für Forderungen mit wechselndem Bestand – insbesondere Sparguthaben – teilweise eingeschränkt, dass im Zweifel nur das beim Erbfall noch vorhandene Guthaben und nicht auch die abgehobenen und verbrauchten Beträge vermacht worden sein sollen.
Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen erfasst – so das Oberlandesgericht Frankfurt – das Vermächtnis im Zweifel jedenfalls das Festgeld-Sparkonto. Denn jedenfalls i.H. des Festgeld-Sparkonto ist ein der Differenz zum verbleibenden Wertpapierguthaben entsprechender Betrag wertmäßig im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin in deren Vermögen vorhanden gewesen.
Nach dem Oberlandesgericht Frankfurt sind jetzt die Beklagten beweispflichtig dafür, dass die Erblasserin den Klägerinnen gerade nur den Inhalt des Wertpapiers zukommen lassen wollte. Diesen Beweis haben die Beklagten nicht geführt. Ein abweichender Wille der Erblasserin lässt sich auch nicht daher herleiten, dass das Vermächtnis nicht allgemein auf das „Bankvermögen“ der Erblasserin bezogen war. Auch kann daraus nicht ein Ausschluss einer Surrogation gefolgt werden.
Das Oberlandesgericht Frankfurt stellt im vorliegenden Fall fest, dass bei einer vermächtnisweisen Zuwendung von Wertpapieren, die vom Erben auch vor Vermächtniserfüllung verkauft werden sollen, diese im Zweifel auch Surrogate, welche sich noch im Nachlass befinden, umfasst.
Der Rechtstreit hätte vermieden werden können, wenn entweder im notariellen Testament niedergeschrieben worden wäre, dass das Vermächtnis auch Surrogate umfasst oder wenn im notariellen Testament enthalten gewesen wäre, dass nur der aktuelle Stand der Wertpapiere – egal in welcher Höhe – vermacht werden soll. Bei Letztgenanntem besteht natürlich immer die Gefahr, dass ein Bevollmächtigter des Erblassers, welcher Erbe wird, eventuell treuwidrig das Wertpapiervermögen vor dem Tod des Erblassers zu seinen Gunsten reduziert.
Es ist deshalb darauf hinzuweisen, dass bei einer Testamentserrichtung immer auch der Fall durchdacht werden muss, sollte sich der Vermächtnisgegenstand nicht mehr im Nachlass oder sollte sich ein entsprechendes Surrogat im Nachlass befinden. Hier ist zusammen mit dem Erblasser zu erörtern, ob das Vermächtnis das Surrogat umfassen soll oder nicht.