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Thomas Maulbetsch - Fachanwalt für Erbrecht in Obrigheim bei Mosbach
02.01.2022

Kostenersatz durch Erben bei darlehensweiser Gewährung der Sozialhilfe für Erblasser nur über Zivilrechtsweg

Das Bundessozialgericht hatte mit Urteil vom 11.09.2020 – B 8 SO 3/19 R – folgende alltägliche Fallgestaltung zu entscheiden:

Der am 23.06.2007 verstorbene Leistungsempfänger war neben seinen fünf Schwestern Miterbe zu je 1/6 nach seiner am 30.03.2005 vorverstorbenen Mutter geworden. Die Erbauseinandersetzung nach der Mutter war zu seinem Todeszeitpunkt noch nicht erfolgt.

Der Leistungsempfänger erhielt seit 22.12.2004 Leistungen der stationären und teilstationären Eingliederungshilfe nach dem SGB XII.

Leistungen an sozialhilfeberechtigten Miterben und Leistungsempfänger nur noch als Darlehn

Seit dem Tod der Mutter erbrachte der Beklagte diese Leistungen unter Hinweis auf § 91 SGB XII nur noch darlehensweise. Zur Sicherung der Sozialhilfeansprüche trat der Leistungsempfänger den Anspruch aus dem Erbe an den Beklagten ab. Eine notarielle Beglaubigung dieser Erklärung erfolgte nicht.

Erben des am 23.06.2007 verstorbenen Leistungsempfänger wurden dann wieder seine 5 Schwestern zu Miterben in ungeteilter Erbengemeinschaft zu je 1/5. Eine der Schwestern ist die Klägerin.

Der Beklagte forderte zunächst auf Grundlage der Abtretungserklärung erfolglos von der Erbengemeinschaft nach der Mutter die Auszahlung von € 70.460,75. S

Sodann setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin als Erbin des Leistungsempfänger seinen Kostenersatz nach § 102 SGB XII i.H.v. € 75.939,24 fest. Gegen diese Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein. Es wurde zunächst vor dem Landessozialgericht Schleswig-Holstein keinen Erfolg.

Bescheid verletzt Klägerin in Ihren Rechten

Das Bundessozialgericht hob dieses Urteil auf und teilte mit, dass die erbrachten Leistungen der Eingliederungshilfe sowie die Kosten für dessen Bestattung, die in insgesamt € 70.460,75  enthalten waren, als Bescheid die Kläger in ihren Rechten verletzte.

Zunächst stellt das Bundessozialgericht die Grundsätze der Ersatzpflichten nach § 102 SGB XII als Schulden des Leistungsempfängers und Nachlassverbindlichkeit dar. Die Erben des Leistungsempfängers haften mit dem Wert des zum Zeitpunkt des Erbfalls vorhandenen Nachlasses.

Eine Ersatzpflicht auf dieser Rechtsgrundlage scheidet jedoch aus jedem denkbaren Gesichtspunkt aus, soweit der Beklagt mit dem angefochtenen Bescheid den Ersatz von erbrachten Erstattungskosten nach § 74 SGB XII geltend gemacht hat. Bestattungskosten werden nicht zu den Kosten der Sozialhilfe.

Rückzahlung darlehensweise gewährter Leistungen ist im Zivilrechtsweg geltend zu machen

Auch soweit der Beklagte Leistungen der Eingliederungshilfe als Darlehen nach § 91 S. 1 SGB XII erbracht hat, besteht kein Ersatzanspruch auf Grundlage von § 102 SGB XII.

Der Darlehensrückgewähranspruch mindert als vom Erblasser herrührende Schuld den Wert des Nachlasses des Leistungsempfängers zum Zeitpunkt des Erbfalls. Der Rückgewähranspruch aus dem gewährten Darlehen, der Grundlage der Erblasserschuld ist, schließt eine auf denselben Gegenstand gerichteten Kostenersatzanspruch als Erbfallschuld aber aus. Der Beklagte hat schon einen Anspruch als Sozialhilfeträger gegen den Nachlass, so dass es nicht eines weiteren Kostenersatzanspruch auf Grundlage von § 102 SGB XII bedarf. Andernfalls wäre eine Übersicherung des Sozialhilfeträgers gegeben.

Das Bundessozialgericht verweist den Beklagten darauf, seine Ansprüche auf Rückzahlung der darlehensweise gewährten Leistungen auf dem Zivilrechtsweg durchzusetzen. Es war das Versäumnis des Beklagten für eine notarielle Beglaubigung der Abtretungserklärung zu sorgen, um ihre Wirksamkeit gem. § 2033 Abs. 1 S. 2 BGB herbeizuführen. Dieses Versäumnis kann im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu Lasten der Klägerin gehen.

Anmerkung Herrn Fachanwalt für Erbrecht Thomas Maulbetsch

Ein wegweisendes Urteil des Bundessozialgerichts. Bei darlehensweiser Gewährung von Sozialleistungen ist jetzt der Sozialhilfeträger im Erbfall des Leistungsempfängers verpflichtet, den Zivilrechtsweg zu bestreiten, wenn bereits ein Anspruch des Sozialhilfeträgers gegen den Nachlass vorliegt. Die „Abkürzung“ durch Erlass eines Bescheides nach § 102 SGB XII auf Kostenersatz scheidet zukünftig aus.






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