nach oben
Thomas Maulbetsch - Fachanwalt für Erbrecht in Obrigheim bei Mosbach
29.06.2019

Auskunftspflicht und Rechenschaftspflicht bei Kontovollmacht und Vorsorgevollmacht

Das OLG Brandenburg hatte mit Urteil vom 02.04.2019 – 3 U 39/18 – eine in der Praxis häufig vorliegende Konstellation zu entscheiden:

Die Erblasserin war die Tante des Klägers und des Beklagten. Beide haben die Tante zu Miterben zu je ½ beerbt. Die Erblasserin hat beiden Klageparteien eine Vorsorgevollmacht im Jahre 2006 erteilt, wobei zumindest der Beklagte eine Ausfertigung erhalten hat. Im Jahre 2009 erteilte die Erblasserin auch dem Beklagten eine Bankvollmacht für sämtliche Bankgeschäfte. Die Erblasserin selbst ist dann im Jahre 2016 verstorben. Nach einem Klinikaufenthalt teilte die Erblasserin im Jahre 2014 gegenüber einem Mitarbeiter des Landkreises mit, dass sie daran festhalte, dass der Beklagte sich weiterhin um sie kümmere und brachte ihr bestehendes Vertrauen zum Ausdruck.

Strafrechtliche Verurteilung des Bevollmächtigten

Der Beklagte selbst tätigte mit seiner Kontovollmacht im Zeitraum 03.04.2014-21.08.2014 diverse Abhebungen vom Konto der Erblasserin und wurde hierfür mit Urteil vom 26.01.2017 strafrechtlich wegen Betrug in 11 Fällen zu 50 Tagessätzen verurteilt.

Auftragsverhältnis ist strittig

Der Kläger selbst behauptete im Klageverfahren, dass er einen Anspruch auf Auskunft und Rechenschaft gegenüber dem Beklagten hat, da ein Auftragsverhältnis vorgelegen habe und die Erblasserin auch auf Auskunft und Rechenschaft nicht verzichtet habe. Der Beklagte wehrt sich hiergegen.

Innenverhältnis war keine bloße Gefälligkeit

Das OLG Brandenburg urteilt aus, dass der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf die begehrte Auskunft und Rechenschaftslegung aus § 666 BGB hat. Es bestand im Innenverhältnis zwischen der Erblasserin und dem Beklagten ein Auftragsverhältnis im Sinne von § 662 BGB.

Es muss hierbei eine Abgrenzung zum bloßen Gefälligkeitsverhältnis, welches nach den Umständen des Einzelfalles abzugrenzen ist, geprüft werden. Hat der Auftraggeber ein wesentliches Interesse an der Durchführung des Auftrages, da es um erhebliches Vermögen und wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art geht, ist von einem Rechtsbindungswillen auszugehen, welches ein objektiver Beobachter beurteilen muss. Ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer spricht zwar grundsätzlich nicht gegen einen Auftrag des § 662 BGB, jedoch ist das Vorliegen eines besonderen Vertrauensverhältnisses ohne spätere Auskunfts- und Rechenschaftspflicht nur beim Zusammenleben von Eheleuten bisher vom Bundesgerichtshof bestätigt worden (vgl. BGH NJW 2000, 3199). Auf andere Familienkonstellationen ist dies jedoch nicht übertragbar (BGH NJW 2001, 113; OLG Karlsruhe FamRZ 2017, 1873).

Vorsorgevollmacht und Bankvollmacht implizieren Interessen wirtschaftlicher Art

Im vorliegenden Fall war neben der General- und Vorsorgevollmacht auch eine Kontovollmacht vorliegend. Für die Erblasserin waren wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art auf dem Spiel gestanden und der Beklagte hat über erhebliches Vermögen der Erblasserin verfügen können. Es ist dabei unerheblich, ob und wie lange die Verstorbene ihre Geschäfte noch selbst tätigen konnte. Auch auf einen Verzicht der Erblasserin kann der Beklagte sich nicht berufen. Ein stillschweigender Verzicht wäre noch vorliegend gewesen, während langjähriger Verwaltung, ohne dass niemals Rechnungslegung verlangt worden wäre. Dies ist jedoch hier nicht gegeben.

Im Übrigen ist dem Beklagten verwehrt, sich auf einen Verzicht zu berufen, da Zweifel an der Zuverlässigkeit des beauftragten Beklagten die Nachholung der Rechnungslegung bedingen (BGH NJW-RR 1987, 963; OLG München, Urteil vom 20.06.2012, 3 U 114/12). Hier wurde der Beklagte unstreitig dem Betrugs zum Nachteil der Erblasserin für den Zeitraum 03.04.2014-21.08.2014 verurteilt. Es widerspricht demnach Treu und Glauben gem. § 242 BGB, wenn er sich jetzt auf den Verzicht berufen könnte. Der Beklagte war demnach antragsgemäß zu verurteilen.

Praxishinweis von Fachanwalt für Erbrecht Thomas Maulbetsch

Ein sehr praxisnahes Urteil, in welchem das OLG Brandenburg klar aufzeigt, welche Rechte und Pflichten für den Bevollmächtigten vorliegen, wenn dieser eine Vorsorgevollmacht und Kontovollmacht erhält. Allerdings sollte nicht unbeachtet bleiben, dass hier die Spezialität hinzukommt, dass der Beklagte sogar strafrechtlich wegen Betruges rechtskräftig verurteilt worden war.

Bei der Vorsorgevollmacht sollte deshalb immer größte Sorgfalt auf das Innenverhältnis und die Auskunfts- und Rechenschaftspflicht ohne deren Abbedingung gelegt werden.






← zurück

Nehmen Sie jetzt Kontakt auf

*
*
*
*

Ich habe die Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen.
Ich willige ein, dass meine personenbezogenen Daten entsprechend meiner Anfrage verarbeitet werden.


Kontakt
Ausgezeichnet durch:

Capital 2022Focus 2023Focus 2022Focus 2021Focus 2020WiWo 2019

Empfohlen durch:

WWF Christoffel Blindenmission Verband Wohneigentum e.V. Stiftung Childaid Network OM Deutschland GBA Ships Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg e.V.
In Kooperation mit:

Netzwerk Deutscher Erbrechtsexperten e.V. Netzwerk Deutscher Testamentsvollstrecker e.V. Mediation im Erbrecht