Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte mit Beschluss vom 22.07.2024 – 14 W 50/24 (Wx) – den folgenden Sachverhalt im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens über die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit nach der Europäischen Erbrechtsverordnung, kurz EuErbVO, zu entscheiden.
Der deutsche Erblasser ist am 10.10.2023 in einem Pflegeheim in Polen verstorben. Er lebte mit seiner zweiten Ehefrau in Deutschland bzw. vorab in verschiedenen Pflegeheimen in Deutschland. Er verstarb dann kinderlos.
Ab Mai 2022 wurde der Erblasser durch eine zunehmende Demenz ein Pflegefall. Nachdem die häusliche Betreuung nicht mehr durchgeführt werden konnte, befand es sich ab Juni 2022 in verschiedenen Pflegeheimen in Deutschland. Ab dem 01.04.2023 lebte der Erblasserin in einem Pflegeheim in Polen. Er hatte kein Vermögen in Polen, sein gesamtes Vermögen befand sich in Deutschland.
Es war jetzt strittig, ob der sogenannte letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers in Deutschland oder Polen war.
Nach der Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe ist die deutsche Gerichtsbarkeit nach Art. 4 EuErbVO zur Erteilung eines Erbscheins international zuständig. Er hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne dieser Norm in Deutschland. Örtlich zuständig ist das Amtsgericht, in dem er zuletzt wohnte.
Dabei ist der Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes unionsautonom auszulegen. Es müssen die Umstände des Einzelfalles berücksichtigt werden. Dies sind die Dauer und die Regelmäßigkeit des Aufenthaltes, Umstände und Gründe für die Präsenz in dem betreffenden Staat, der Wille des Erblassers, in dem Staat den zuständigen und gewöhnlichen Mittelpunkt seiner Interessen zu begründen und dem Aufenthalt Beständigkeit zu verleihen sowie familiäre und soziale Bindungen und auch die Belegenheit der wesentlichen Vermögensgegenstände und Sprachkenntnisse.
Für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltes sind demnach objektive als auch subjektive Kriterien maßgeblich. In dieser Hinsicht ist das Vorliegen eines Bleibewillens erforderlich, der nach außen manifestierte Wille, den Lebensmittelpunkt am Ort des tatsächlichen Aufenthalts auf Dauer zu begründen. Werden pflegebedürftige Personen in ausländischen Pflegeheimen untergebracht, kommt es ebenfalls auf deren Bleibewillen an. Können diese zum Zeitpunkt des Aufenthaltswechsels keinen eigenen Willen mehr bilden oder folgt die Unterbringung gegen ihren Willen, fehlt es an dem für die Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts erforderlichen Bleibewillens.
Nach diesen Grundsätzen war kein gewöhnlicher Aufenthalt des Erblassers in Polen, so das Oberlandesgericht Karlsruhe. Es fehlt der Bleibewille. Der demenzerkrankte E wurde gegen oder zumindest ohne seinen Willen in dem polnischen Pflegeheim untergebracht.
Er war deutscher Staatsangehöriger, sein gesamtes Vermögen befand sich in Deutschland und er war auch der polnischen Sprache nicht mächtig. Von daher war der gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland im Sinne des Art. 4 EuErbVO.
Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 47 Nr. 2 IntErbRVG in Verbindung mit 343 Abs.2 FamFG. Örtlich zuständig ist das Nachlassgericht, in dessen Bezirk der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dabei spielt der jeweils kurzfristige Aufenthalt in den deutschen Pflegeheimen keine Rolle und begründet keinen neuen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der EuErbVO.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe entscheidet – soweit ersichtlich – als erstes Oberlandesgericht über den gewöhnlichen Aufenthalt eines deutschen Erblassers, der demenzerkrankt in ein ausländisches Pflegeheim verbracht worden ist. Das OLG Karlsruhe urteilt richtig aus, dass mangels Bleibewillens auf Grund der Demenzerkrankung das Nachlassgericht dessen Bezirks für das Erbscheinverfahren zuständig ist, in welchem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte. Es besteht somit in diesem Bereich Rechtsicherheit.
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