Das Oberlandesgericht Köln hat mit Urteil vom 22.04.2021 – 24 U 77/20 – ein doch etwas sehr überraschendes Urteil im Bezug auf die Rechtswahl eines britischen Staatsangehörigen, der in Deutschland lebte und britisches Recht in seinem Testament wählte, getroffen.
Der Erblasser selbst war britischer Staatsangehöriger und hatte bis zu seinem Tod 50 Jahre ununterbrochen seinen Wohnsitz in Deutschland. Eine erkennbare Verbindung nach England unterhielt er mehr als 30 Jahrzehnte vor seinem Tod nicht mehr.
Der Erblasser erstellte ein Einzeltestament und hat für die Rechtsnachfolge von Todes wegen das englische Recht gewählt. Das englische Recht kennt keinerlei Pflichtteilsrecht. Im vorliegenden Fall war jetzt strittig, ob das vom Erblasser adoptierte Kind Pflichtteilsansprüche geltend machen kann.
Das Oberlandesgericht Köln bejaht Ansprüche aus einem Pflichtteilsrecht des Klägers. Begründet wird es damit, dass die Anwendung englischen Rechts trotz Rechtswahl ausscheide, weil die Rechtswahl im konkreten Fall mit dem deutschen ordre public offensichtlich unvereinbar ist. Dies wird mit Art. 35 EU-ErbVO (Europäische Erbrechtsverordnung) begründet. Durch Art. 35 EU-ErbVO setzt sich das deutsche Recht gegenüber dem englischen durch, da ein mit dem deutschen ordre public unvereinbares Ergebnis vorliegt, da es in der englischen Rechtsordnung keinerlei Pflichtteils- oder Noterbrechte für nahe Verwandte gibt.
Diesen offensichtlichen Verstoß gegenüber dem ordre public begründet das Oberlandesgericht Köln auch mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Gewährleistung der Erbrechtsgarantie in Artikel 14 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz. Es wird weiter damit begründet, dass es im englischen Recht keine Pflichtteilsanspruch und dass es auch keinerlei Ersatzmechanismen etwa durch Noterbrecht oder Unterhaltsansprüche im dortigen englischen Recht gibt.
Ein sehr überraschendes Ergebnis, da nach Art. 22 Abs. 1 EU-ErbVO es einem Erblasser, der in Deutschland lebt, freisteht, sein eigenes Heimatrecht zu wählen. Dies gilt auch, obwohl Großbritannien die Europäische Union verlassen hat. Es ist erkennbar das erste Urteil für Auslandserbrecht, das in Bezug auf das englische Recht, welches keinerlei Pflichtteilsansprüche und weitere Ersatzmechanismen kennt, einen Verstoß gegenüber der ordre public begründet.
Es wird jetzt abzuwarten sein, ob die zugelassene Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt wird und wie dieser dann entscheidet. Eine Vorlage zum Europäischen Gerichtshof schied im vorliegenden Fall aus, da die Grundlagen für die Rechtswahl nach Art. 22 Abs. 1 EU-ErbVO im Testament eingehalten worden sind. Es war auch diesbezüglich kein Problem, dass der Erblasser vor dem Eintritt der EU-ErbVO am 17.08.2015 das Testament erstellt hatte, da er erst im Jahre 2018 verstorben ist und über die sogenannten Übergangsvorschriften das Testament Gültigkeit gehalten hat.
Wir müssen uns jetzt gedulden wie der Bundesgerichtshof diese spannende Rechtsfrage entscheidet, da viele Mitbürger eine englische Staatsangehörigkeit besitzen und deshalb auch – was nachvollziehbar ist – ihren in Deutschland erstellten Testamenten das englische Recht wählen.
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