Nach der seit 17.08.2015 anzuwendenden sog. EU-Erbrechtsverordnung gilt für Todesfälle nach dem 17.08.2015 nach Art. 4 EUErbVO, dass für Entscheidungen im Erbsachen für den gesamten Nachlass die Gerichte desjenigen Mitgliedsstaats zuständig sind, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser im Zeitraum seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hat.
Das OLG Hamm hatte mit Beschluss vom 02.01.2018 – I – 10 W 35/17 – die Fallgestaltung zu entscheiden, dass der Erblasser, der die deutsche Staatsangehörigkeit besaß, im Alter von 80 Jahren in Spanien verstorben war. Er war in 3. Ehe verheiratet und hatte vier Kinder. Von seiner letzten Ehefrau lebte er getrennt und zog aus der ehelichen Wohnung in Deutschland aus und lebte bis zu seinem Tod in Spanien. Es war jetzt strittig, ob deutsches Erbrecht oder spanisches Erbrecht anzuwenden war.
Das OLG Hamm hat entschieden, dass der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers sich in Deutschland befunden hat. Hierbei werden die Erwägungsgründe Nr. 23 und Nr. 24 bezüglich des „gewöhnlichen Aufenthalts“ herangezogen. Insoweit ist eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände vorzunehmen, auch unter Berücksichtigung von Dauer und Regelmäßigkeit von Besuchen, der besonders engen Bindung an einen Staat, der Sprachkenntnisse, der Lage des Vermögens. Es geht um den tatsächlichen Lebensmittelpunkt mit einer Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und zum Zeitpunkt des Todes. Nach diesen Grundsätzen war der Lebensmittelpunkt des Erblassers in Deutschland.
Das OLG Hamm stellt dies fest mit dem Hinweis, dass der Erblasser kurz vor seinem Tod das Verfahren für den Zugewinnausgleich eingeleitet hatte und dort seine spanische Adresse mit Zusatz „derzeit“ versehen hatte. Somit war für den Erblasser der Aufenthalt in Spanien nicht endgültig, sondern nur vorübergehend. Der Erblasser war zwar vor Jahren nach Spanien ausgewandert, nachdem er aber eine 3. Ehe geschlossen hatte, wieder nach Deutschland zurückgekehrt und hat dort eine Wohnung mit seiner letzten Ehefrau erworben. Nach Spanien ging er dann nach der Trennung, da er dort noch eine weitere eigene Wohnung hatte. In Deutschland war er jedoch nicht abgemeldet und es gab auch keinen Nachsendeauftrag nach Spanien. Der Erblasser selbst hat sich auch nicht in Spanien behandeln lassen, sondern von deutschen Ärzten in deutschen Krankenhäusern. Somit lebte der Erblasser nach Überzeugung des Senats nicht dauerhaft in Spanien, sondern nur vorübergehend. Dass er im weiteren Verlauf in Spanien verstorben ist, ist dabei ohne Belang.
Das OLG Hamm stellt sehr ausführlich anhand sämtlicher Anknüpfungspunkte den „letzten gewöhnlichen Aufenthalt“ im Sinne der EUErbVO dar. Es ist ersichtlich, dass sämtliche Umstände jedes Einzelfalles zu berücksichtigen sind und auch gegenüber den zuständigen Gerichten mitgeteilt werden müssen. Die Entscheidung, welches materielle Erbrecht letztendlich zuständig ist, ist für die beteiligten Erben bzw. Pflichtteilsberechtigten immer von entscheidender Bedeutung. In sämtlichen EU-Ländern, in welchen die EUErbVO gilt, gelten im materiellen Recht immer unterschiedliche Regelungen.
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