Das Oberlandesgericht München hatte mit Urteil vom 08.07.2022 – 33 U 5525/21 – folgende Fallgestaltung zu entscheiden:
Die Kläger sind Brüder sowie Miterben zu je 1/3 nach dem 2017 verstorbenen Vater. Der Barnachlass wurde bereits unter ihnen aufgeteilt.
n Wohnungsrecht
Mit Übergabevertrag bzw. gemischte Schenkung vom 30.11.2010 hat der Erblasser 5 Grundstücke an den Beklagten übertragen, wobei an einem Grundstück der Erblasser sich ein lebenslanges Wohnungsrecht auf dem dort errichteten Wohnhaus vorbehielt, das ihn berechtigte, „die Räume des bestehenden Bauernhauses alleine zu benützen“, sowie ein Mitbenutzungsrecht bzgl. der sonstigen Gebäude und Flächen des Grundstücks. Die Eigentumsumschreibung vom Erblasser auf den Beklagten erfolgte am 13.01.2011. In der Folgezeit bewohnte und benutzte der Erblasser das Haus und die sonstigen Gebäude und Flächen wie zuvor.
Es war jetzt strittig, ob mit dem Wohnungsrecht die sogenannten Abschmelzung nach § 2325 Abs. 3 BGB angelaufen ist. Nach der Rechtsprechung zu Grundstücksschenkungen bei vorbehaltenen Nutzungsrechten ist aktuell herrschende Meinung, dass der vorbehaltene Nießbrauch der Fristenlauf den § 2325 Abs. 3 BGB grundsätzlich gehemmt ist, weil der Erblasser den Genuss des verschenkten Gegenstandes nicht entbehren muss. Bei einem vorbehaltenen Wohnungsrecht ist es immer eine Frage des Einzelfalles, da dies schwächer als der Nießbrauch ist.
Nach Ansicht des Oberlandesgerichts München war im vorliegenden Fall der Fristbeginn durch das vorbehaltene Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht bis zum Erbfall gehemmt. Der Erblasser hatte im vorliegenden Fall wie bisher den gesamten Schenkungsgegenstand weiter wie zuvor genutzt und benutzt. Das Wohnungsrecht erstreckte sich auf sämtlich relevante Wohnfläche des Anwesens. Der Eigentümer war damit von einer Eigennutzung des Gebäudes ausgeschlossen. Folge ist, dass der Pflichtteilsergänzungsanspruch seitens der Kläger sich nicht aus dem abgeschmolzenen Wert errechnet. Nach § 2329 BGB hat der Beklagte, da der Wert des Nachlasses insoweit nicht ausreicht, die Zwangsvollstreckung zu dulden und zwar in der vom OLG errechneten Höhe.
Das Oberlandesgericht München bestätigt als Obergericht die höchstrichterliche sogenannte Genussverzichtsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Nießbrauch im vorliegenden Fall für ein Wohnungsrecht, welches sämtliche Räume im übergebenen Anwesen umfasst. Im Jahre 2016 hat der Bundesgerichtshof den Beginn der Abschmelzungsfrist nach § 2325 Abs. 3 BGB angenommen, da im dortigen übergebenen Anwesen bei einem dreistöckigen Wohnhaus der Übergeber sich ein Wohnungsrecht nur an einer von drei Wohnung vorbehielt. Somit hatte er auf den teilweisen Genuss der Immobilie verzichtet und der neue Eigentümer konnte auch das Objekt benutzen, so der Bundesgerichtshof.
Der hier vom Oberlandesgericht München entschiedene Fall hat Ein eine hohe Praxisrelevanz.
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