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Thomas Maulbetsch - Fachanwalt für Erbrecht in Obrigheim bei Mosbach
12.07.2018

Vertrag über ein Benutzerkonto bei einem bei einem sozialen Netzwerk ist vererbbar – facebook-Urteil

Zwischen facebook und den Eltern einer im Alter von 15 Jahren verstorbenen facebook-Nutzerin war streitig, ob facebook den Eltern als Erben Zugang zum facebook-Konto ihrer verstorbenen Tochter gewähre muss

Der Bundesgerichtshof hat heute mit Urteil vom 12. Juli 2018 – III ZR 183/17 darüber zu entscheiden, ob der Vertrag über ein Benutzerkonto bei einem sozialen Netzwerk grundsätzlich im Wege der sog. Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben des ursprünglichen Kontoberechtigten übergeht. Weiter hatte der Bundesgerichtshof zu entscheiden, ob die Erben einen Anspruch gegen den Netzwerkbetreiber auf Zugang zu dem Konto einschließlich der darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalte haben.

Der dem Urteil zugrundeliegende Sachverhalt

Im Jahr 2011 eröffnete die Erblasserin im Alter von 14 Jahren mit dem Einverständnis ihrer Eltern bei der Beklagten ein sog. Benutzerkonto. Im Jahr 2012, demnach vor 5 Jahren, verstarb die Erblasserin unter bisher ungeklärten Umständen infolge eines U-Bahnunglücks.

Die Klägerin, Ihre Mutter, versuchte sich anschließend mit den Zugangsdaten der Erblasserin in das Benutzerkonto ihrer Tochter einzuloggen. Das Konto wurde aber bereits von der Beklagten in den sogenannten Gedenkzustand versetzt. Ein Zugang war somit jedwelchen Personen weltweit trotz der Vorlage der Benutzerdaten nicht mehr möglich.

Die Mutter wollte von der Beklagten den Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto, insbesondere zu den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten, um nachzuvollziehen, ob eventuell ein Suizid der Erblasserin vorlag. Das Landgericht Berlin hat der Klage stattgegeben. Das Kammergericht Berlin als Berufungsinstanz  hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Nach dem Bundesgerichtshof haben die Erben haben gegen die Beklagte einen Anspruch, ihnen den Zugang zum Benutzerkonto der Erblasserin und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten zu gewähren. Dies ergibt sich aus dem Nutzungsvertrag zwischen der Tochter der Klägerin und der Beklagten. Dieser Vertrag ist auf die Erben übergegangen.  Diese Vererblichkeit ist nicht durch die vertraglichen Bestimmungen ausgeschlossen. Die Nutzungsbedingungen enthalten hierzu keine Regelung. Die Klauseln zum Gedenkzustand sind bereits nicht wirksam in den Vertrag einbezogen. Sie hielten überdies einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB nicht stand und wären daher unwirksam.

Auch aus dem Wesen des Vertrags ergibt sich eine Unvererblichkeit des Vertragsverhältnisses nicht; insbesondere ist dieser nicht höchstpersönlicher Natur. Der höchstpersönliche Charakter folgt nicht aus im Nutzungsvertrag stillschweigend vorausgesetzten und damit immanenten Gründen des Schutzes der Persönlichkeitsrechte der Kommunikationspartner der Erblasserin. Laut dem Bundesgerichtshof besteht kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass nur der Kontoinhaber und nicht Dritte von dem Kontoinhalt Kenntnis erlangen. Digitale Inhalte werden analoge Dokumente wie Tagebücher und persönliche Briefe vererbt. Ein Ausschluss der Vererblichkeit auf Grund des postmortalen Persönlichkeitsrechts der Erblasserin liegt nicht vor, auch das Fernmeldegeheimnis steht dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen. Schließlich kollidiert der Anspruch der Klägerin auch nicht mit dem Datenschutzrecht.

Anmerkung von Fachanwalt für Erbrecht Thomas Maulbetsch

Der Bundesgerichtshof urteilt in erfreulicher Klarheit aus, dass ein Benutzerkonto bei einem sozialen Netzwerk vererblich ist. Ein anders lautendes Urteil hätte meines Erachtens gegen geltendes Recht verstoßen.

Für jeden User ist es jetzt wichtig, dass er sicherstellt, dass nach seinem Tod seine Erben seine Zugangsdaten erhalten und sein Konto löschen bzw. es beispielsweise bei facebook in den sog. Ruhezustand versetzen können. Hier kann jeder Erblasser in seinem Testament nach seinen Tod oder sogar in seiner Vorsorgevollmacht zu seinen Lebzeiten Regelungen für den Umgang festlegen. 






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