Das Landgericht Bochum hat mit Urteil vom 24.06.2022 – 5 O 41/22 – zu entscheiden, ob im Verlangen des Pflichtteils eine konkludente Ausschlagung eines Vermächtnisses des Berechtigten zu sehen ist.
Die Streitparteien sind Brüder. Der Beklagte wurde auf Grund notariellen Testaments der gemeinsamen Mutter Alleinerbe. Der Kläger erhielt im Testament ein Vermächtnis im Bezug auf das zum Todeszeitpunkt vorhandene Barvermögen einschließlich Wertpapiere.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wandte sich an den Beklagten und machte den Pflichtteilsanspruch und Pflichtteilsergänzungsanspruch des Klägers geltend.
Es war jetzt strittig, ob durch das Auskunftsverlangen und die Geltendmachung des Pflichtteils das Vermächtnis automatisch bzw. konkludent ausgeschlagen wurde.
Das Landgericht Bochum urteilte aus, dass die Geltendmachung des Pflichtteils eine konkludente Ausschlagung des Vermächtnisses bedingt. Hintergrund der strittigen Rechtsfrage ist der § 2307 BGB. Nach dem genannten Paragraphen ist von Bedeutung, ob der Pflichtteilsberechtigte weiß, dass er mit einem Vermächtnis bedacht ist und dass er nicht die Erfüllung sowohl des Vermächtnisses als auch des Pflichtteilsanspruchs verlangen kann, da dies § 2307 Abs.1 S.1 BGB widerspräche. Nach dem Landgericht Bochum muss vom objektiven Empfängerhorizont aus, aus Sicht des Beklagten von einer Ausschlagung des Vermächtnisses auszugehen sein.
Dies gilt vor allen Dingen auch dahingehend, dass der Kläger den Beklagten zur Zahlung des Pflichtteilsanspruchs angemahnt hatte. Die Geltendmachung von Ansprüchen nebst Zahlungsaufforderung bezieht sich eindeutig konkret auf den Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsanspruch. Diese wurden sogar unter Fristsetzung zur Zahlung angemahnt.
Der Kläger muss sich deshalb auf Grundlage des objektiven Empfängerhorizonts an der Ausschlagung des Vermächtnisses festhalten lassen.
Eine spannende Lektüre für den erbrechtlich bewanderten Rechtsanwalt. Es kann nur immer wieder darauf hingewiesen werden, dass im Rahmen des § 2306 BGB bzw. § 2307 BGB es immens wichtig ist, auch für den anwaltlichen Berater, die gesetzlichen Vorgaben und Regularien zu beachten.
Hätte der Kläger im vorliegenden Sachverhalt nur eine Auskunft in Bezug auf den Pflichtteil- und Pflichtteilsergänzungsanspruch verlangt und dabei ausdrücklich erklärt, dass dies noch keine Geltendmachung des Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist, so wäre die Entscheidung höchstwahrscheinlich anders ausgefallen.
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